Das Nationsverständnis der "Türkisch-Islamischen Synthese"
Hausarbeit für das Vordiplom
an der Freien Universität Berlin
am Fachbereich Politische Wissenschaft
vorgelegt von
Burhan Kesici
(4.Semester)
Prüfer: Prof. Dr. Hajo Funke
Semester: SoSe 1995
I N H A L T S V E R Z E I C H N I S
VORBEMERKUNG
LITERATURVERZEICHNIS
Einleitung
1. Die "Türkisch-Islamische Synthese"
1.1 Die Entstehungsgeschichte
1.2 Ziele der "Türkisch-Islamische Synthese"
1.3 Die "soziale Gesellschaft" nach der "Türkisch-Islamischen
Synthese"
1.4 Der türkische Typus laut der "Türkisch-Islamischen
Synthese"
1.5 Legitimation der "Türkisch-Islamischen Synthese" durch
den Islam
1.6 Kurze Zusammenfassung
2. Der türkische Nationalismus
3. Islamisches Verständnis einer Nation
4. Die "Türkisch-Islamische Synthese" im Verglich mit dem türkischen
Nationlismus und dem islamischen Verständnis einer Nation
V O R B E M E R K U N G
Die türkische Geschichte wurde so stark durch den Islam beeinflußt,
daß sich die türkische Kultur und die türkische Gesellschaft
ganz dem Islam angepaßt haben. Das Türkentum ist Heute ohne den Islam
gar nicht denkbar. Handlungen, Gebräuche und Sitten der Türken werden
durch Nicht-Türken
fast immer mit dem Islam gleichgesetzt. Veränderungen und Bestrebungen
in den letzten 200 Jahren gehen dahin, eine eigene türkische Identität
aufzubauen, welche nicht nur durch den Islam geprägt sein soll. Mit der Gründung
der Türkischen Republik hat man versucht zwischen dem Türkentum und
dem Islam ein Schlußstrich zu ziehen und sie von einander zu trennen. Die
nationale Identität, die bis Heute ausgeprägt werden konnte richtete
sich an der Orientierung am Westen. Die Besinnung zu den islamischen Werten, die
seit 1940 anfing, hat unter der türkischen Bevölkerung die Frage
aufgeworfen, in welche Zivilisation sie sich einzuordnen haben. Die "Türkisch-Islamische
Synthese" ist ein Versuch eine neue türkische Identität
aufzubauen in dem islamische und türkische Elemente vorhanden sind.
In meiner Arbeit über die "Türkisch-Islamische Synthese"
werde ich den Versuch unternehmen das Nationsverständnis der Synthese
auszuarbeiten.
Einleitung
Der Nationalismus als Phänomen des 19.Jahrhunderts wird immer mehr
durch eine ethnisch-religiöse Blockbildung in den Hintergrund gedrängt.
Tibi spricht in diesem Zusammenhang vom Zeitalter der ethnisch-religiösen
Blockbildung in der Weltpolitik. Samuel Huntington mißt dieser Erscheinung
einen großen Wert bei und empfiehlt bei der Betrachtung von
weltpolitischen Konflikten in der internationalen Politik darauf zu achten, daß
man bei deren analyse sich nicht auf Nationalstaaten fixieren soll, sondern auf
die Zivilisationen, in der die Konflikte auftreten.
Der Krieg in Bosnien hat uns verdeutlicht, daß die Muslime neben einer
Religionsgemeinschaft (Umma) auch als eine "ethnische Gruppe"
angesehen werden. In der Folge dieser Ethnizität werden ungeahnt 1,2
Milliarden Muslime angesprochen, wenn von Muslimen im Zusammenhang mit dem
Bosnien-Krieg die Rede ist.
Der Zivilisationskreis der Muslime umfaßt ca.50 Staaten und mehr als
1.2 Milliarden Menschen. Die zunehmende Zahl der Muslime macht die Betrachtung
dieser ethnisch-religiösen Blockbildung für mich interessant, da ich
zwar das Zunehmen der religiösen Werte und deren Ausübung registriere,
aber auch gleichzeitig die Uneinigkeit unter ihnen. Das Verständnis von
Nation und Religion ist regional unterschiedlich und bedarf einer
differenzierteren Betrachtung, die ich hier nicht vornehmen will, da ich mich
bei meiner Arbeit nur auf die Türkei beschränke.
Ich werde in meiner Arbeit die "Türkisch-Islamische Synthese"
untersuchen, die in den letzten drei jahrzehnten immer mehr Zugang in die türkische
Politik gefunden hat und in den siebziger Jahren ihren Höhepunkt erlebte.
Die Synthese versucht nationale Elemente mit religiösen Elementen zu
verbinden und dadurch eine neue Lebensweise für die Türken zu finden,
in dem traditionelle Werte eine größere Rolle spielen. Das
Zusammengehörigkeitsgefühl soll durch das nationale und religiöse
Bewußtsein geprägt werden. Die Menschen sollen
dazu erzogen werden, daß sie das Wohl des Kollektivs vor dem eigenen
Wohle stellen.
Die "Türkisch-Islamische Synthese" hat viel dazu beigetragen,
daß islamische Werte in der Türkei publik wurden, obwohl sich die
Synthese weniger mit dem Jenseits als mit dem weltlichen Dasein beschäftigt.
In der Synthese werden
alle Lebensbereiche abgedeckt. Interessant dabei ist, daß die
nationalen Interessen vor den religiösen Geboten gestellt werden. Bei den
Gestaltungsmöglichkeiten in Bereichen Kultur, Soziales und Wirtschaft
werden so gut wie keine islamischen Quellen in der Literatur angegeben. Es
werden
zwar versucht Bezüge zwischen nationalen und religiösen Interessen
aufzubauen, die aber wenig überzeugend und zum Teil ohne jegliche Erläuterungen
sind, so daß der Eindruck entsteht, daß der Islam nur zur
Legitimierung der eigenen Vorstellungen dienen soll.
Für die Anhänger der "Türkisch-Islamische Synthese"
ist der Islam ein wichtiger Faktor im Leben der Türken, so daß alle
Handlungen sich in den Grenzen des Islams zu halten haben.
Für die Schaffung einer "besseren Ordnung" werden die religiösen
und menschlichen Instinkte angesprochen und so dargestellt, als wären sie
nicht von einander zu trennen. Da in diesen Bereichen wenig Bezug auf den Islam
genommen wird, sind diese Bereiche für meine Untersuchungen uninteressant.
Ein weiterer Grund wieso ich die sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen
Aspekte weglasse ist, daß sie in der Praxis nur wenig Anwendung finden und
in der nähren Zukunft auch nicht zu realisieren wären, da dies nur
durch eine radikale Veränderung des sozialen und wirtschaftlichen
Lebensbereiches zu erreichen wäre.
Ich werde mich bei meiner Arbeit auf das Verständnis von Gmeinschaft
auf der Basis einer Nation beschränken und denVersuch unternehmen, diese
mit dem Verständnis von türkischen Nationalisten und Islamisten zu
vergleichen.
<1. Die "Türkisch-Islamische Synthese"
1.1 Die Entstehungsgeschichte
Mit dem Militärputsch vom 12.September 1980 wurden die inken und
Rechten Gruppierungen aus der politischen Landschaft verjagt. Die islamische
Bewegung überstand die Militärherrschaft und die damit verbunden Veränderungen
der staatsideologischen Ziele. Der Islam wurde als ein politischer Faktor und
Ausweg angesehen, womit man die Wiederkehr ideologische Spaltung verhindern könnte.
Daß der Islam an Bedeutung gewann lag unter anderem auch an der
konservativen Haltung in den sechziger und siebziger Jahren, wo man sich auf
traditionelle Werte zu besinnen begann. Die islamische Bewegung in den achtziger
Jahren wurde von einer neuen Staatsideologie begleitet, die versuchte das
islamische Zusammengehörigkeitsgefühl durch Aufnahme des Islams
verbunden mit nationalistischen Elementen wiederzubeleben. Die neue Ideologie
wurde als "Türkisch-Islamische Synthese" bezeichnet. Die
eigentlichen Urheber dieser Ideologie waren Universitätsprofessoren, die in
den sechziger Jahren islamische und nationale Elemente miteinander verknüpften.
Die "Türkisch-Islamische Synthese" greift die vorislamische türkische
Kultur auf und versucht sie mit dem Islam in einklang zu bringen.
Die "Türkisch-Islamische Synthese" ist meiner Meinung nach
als eine Begleiterscheinung der islamischen Bewegung entstanden, welche als
Resultat der starren Politik der türkischen Republik zu erklären wäre.
Die europäische und nationalistische Haltung der Regierung, die seit den
zwanziger Jahren praktiziert wurde, führte zu der Entfremdung der eigenen
Kultur und zum Verlust der eigenen Werte. Mit der Gründung der türkischen
Republik und dem Übergang vom islamisch-osmanischen Millet-System zum europäisch
konzepierten Nationsverständnis, wurde die Gesellschaftsstruktur völlig
verändert. Für viele Türken waren diese Veränderung mit
Anpassungsschwierigkeiten verbunden, die zu einer Identitätskrise führte.
Denn die Regierung hatte versäumt die Lücken zu füllen, die früher
durch den Islam gefüllt wurden.
Obwohl die Republik das Millet- und Ümmet-System aufgehoben und dafür
die Nation erschaffen hatte, hatte sie den Fehler begangen, daß sie die
Nation wie eine Ümmet-Gemeinschaft charakterisiert hatte. Dadurch konnten
viele Veränderung, die mit dem neuen türkischen Nationsverständnis
zusammenhingen, in der breiten öffentlichkeit der Bevölkerung nicht
fruchten. Ein wichtiger Grund hierfür war unter anderem, daß in ländlichen
Gegenden bestimmte Symbole bei Menschen bestimmte reaktionen hervorrufen, die für
Fremde nicht wahrnehmbar sind. So hat die türkische Elite es versäumt
diese symbolischen Assoziationen von Gegenständen und Handlungen mit dem
Islam zu erkennen und zu verarbeiten. Die Veränderungen, die stattgefunden
haben, hatten ihre Wurzeln immer im Alten, so daß der islamische Einfluß
immer latend dagewesen war. Viele Türken konnten sich nicht mit dem neuen
Nationsverständnis identifizieren. Man hatte sich auch zu sehr vom
islamischen Verständnis einer Gesellschaft entfernt, so daß bei den Türken
im endeffekt von beiden Vorstellungen etwas vorhanden war, welches in der "Türkisch-Islamischen
Synthese" ihre Vereinigung gefunden hat.
1.2 Ziele der "Türkisch-Islamische Synthese"
Den Initianten zufolge muß die türkische Geschichte neu
geschrieben werden, und zwar unter der Berücksichtigung der für die türkischen
Völker spezifischen kulturellen Elemente, seit sie in Zentralasien Gestalt
gewannen, mehrere Staaten gründeten, sich später zum Islam bekehren
ließen und mit Erfolg das türkische kulturelle Erbe mit dem
islamischen verschmolzen.
In der Synthese werden moralische Prinzipien stark betont, an denen sich
das Verhalten der Türken orientieren soll, um wieder eine starke politische
Rolle zu spielen. Durch moralische Prinzipien sollen Tugend, Wahrheitsliebe und
Gerechtigkeit ausgeprägt werden und zur Vaterlandsliebe, Gottesfurcht,
Heiligkeit der Sitten und Gehorsam gegenüber der staatlichen Obrigkeit führen.
Für die Erreichung dieser Ziele muß eine Besinnung zur eigenen Kultur
und Religion stattfinden, welche durch eine gezielte Unterrichtung in der Schule
und durch Umerziehung in den Lebensgewohnheiten (kultureller und sozialer Art)
stattfinden muß. Die ersten Schritte hierfür wurden nach 1980
realisiert, in dem man in den Schulen Fächer wie "Nationale Geschichte",
"Nationale Erdkunde", "Nationalliteratur" und dergleichen
eingeführt hatte. Im kulturellen und sozialen Bereich fordert die Synthese,
die Besinnung zu den eigenen Werten. Dazu gehört, daß der Versuch
unterlassen werden muß, eine kosmopolitische Gesellschaft aufzubauen, da
sie die Meinung vertreten, daß nur eine homogene Gesellschaft bestand
haben kann. Denn eine gesunde Gesellschaft (Nation) kann nur eine Kultur haben.
Kriterien, wie z.B. gleiche Abstammung, Sprache, Literatur, Musik, Moral
(Sitten) bilden einen gemeinsamen Nenner, womit sich eine Gesellschaft
identifiziert und den Zusammenhalt demonstriert. Staaten wie die USA, die
ehemalige UdSSR und die Schweiz werden nicht als homogene Gesellschaften
akzeptiert, in dem das Gefühl der Einigkeit zwischen den Staatsbürgern
existiert. Die Urheber der Synthese gehen davon aus, daß innerhalb dieser
Gesellschaften ein Konkurrenzkampf zwischen den einzelnen ethnischen Gruppen,
Volksgruppen und Religionsgruppen besteht, die um die Macht im Lande eifern.
Die Schweiz stellt unter diesen Staaten eine ausnahme dar, da es der
Schweiz wirtschaftlich gesehen relativ gut geht und daher die Konflikte nicht
nach außen heraustreten. Doch dies geht nur solange gut, solange sich die
Schweiz wirtschaftliche behaupten kann.
Um eine homogene Gesellschaft etablieren zu können wird empfohlen, daß
sich die Türken durch Heiratsverwandtschaft zueinander raffen und damit das
nationale Bewußtsein stärken und es auch an die Familie weitergeben.
Es sollen Maßnahmen ergriffen werden, womit man die Heiratsverwandtschaft
zwischen den Türken motivieren und zwischen Türken und Nicht-Türken
verhindern soll. Man vertritt die Meinung, daß Mischkinder mit Komplexen
aufwachsen, welche ihnen die Integration erschweren und dazu beitragen, daß
sie weder der einen noch der anderen Gesellschaft nutzen bringen. Ihre Distanz
gegenüber Mischehen resultiert nicht aus religiösen Bewegründen,
sondern aus ideologischen. Mit der Verhinderung von Mischehen soll erreicht
werden, daß sich die Türken physisch nicht verfremden und anderen Völkern
ähneln.
Nach islamischen Geboten wäre eine Mischehe möglich, da im Quran
folgendes geschrieben steht:
" Und zu seinen Zeichen gehört die Schöpfung der Himmel und
der Erde und die Verschiedenartigkeit eurer Zungen und eurer Farben."
(Rum,22)
Somit ist die Verschiedenheit der Sprachen und der Hautfarben und die damit
verbundenen Eigenschaften von Allah gewollt und dürfen keine Hindernisse
darstellen. Dies wird auch in der Literatur der "Türkisch-Islamischen
Synthese" deutlich klargemacht. Außerdem sind ethnische, sprachlich,
kulturelle und territoriale Eigenschaften einer Person für den Islam
irrelevant, da der Islam nur eine Differenzierung zwischen Muslimen und
Nicht-Muslimen kennt. Im Islam bilden die Anhänger einer monotheistischen
Religion eine Gemeinschaft, die Umma genannt wird. Damit bilden die Muslime eine
einzige Gemeinschaft, in der es keine unterschiede geben darf.
Die Gründe, die gegen eine kosmopolitische Gesellschaft und gegen eine
Mischehe sind, sind damit ideologischer Art. Dies wird dadurch begründet,
daß das Ziel eine "soziale Gesellschaft" ist, die sich erst
konstituieren muß.
1.3 Die "Soziale Gesellschaft" nach der "Türkisch-Islamischen
Synthese"
Für den Islam sind biologische Unterschiede eine Realität, welche
nicht geleugnet werden dürfen. Diese Tatsache hat aber nicht zu bedeuten,
daß biologische unterschiede über den Wert des Menschen etwas
aussagen. Der Quran sagt hierzu:
" O ihr Menschen, siehe, wir erschufen euch von einem Mann und einem
Weib und machten euch zu Völkern und Stämmen, auf daß ihr
einander kennet. Siehe, der am meisten Geehrte von euch vor Allah ist der
Gottesfürchtigste unter euch;..." (Hucurat,13)
In diesem Vers wird klar deutlich gemacht, daß der einzige
Unterschied in der Gottesfurcht liegt. Weiterhin wird betont, daß alle
Menschen von einem Mann und einem Weib abstammen. Daraus folgt, daß alle
Menschen biologische miteinander verwandt sind.
In der Sure Fatir Vers 27-28 wird darauf aufmerksam gemacht, daß die
Unterschiede in der Hautfarbe von Allah sind und daß nur die Wissenden
sich vor Allah fürchten. Daraus läßt sich ableiten, daß
die Gläubigen sich davor in acht nehmen sollten, Menschen nach ihrer
Hautfarbe und Abstammung nach zu beurteilen. Trotz der islamischen Gebote neigen
die Menschen dazu, bestimmte Kriterien dazu zu verwenden, um Gemeinsamkeiten
heraus zu arbeiten, wie z.B. Abstammung, Geschichte, Gebräuche (Sitten),
Sprache, Religion und Kultur.
Der türkische Nationalismus stützt sich nicht auf die biologische
Abstammung, sondern auf soziale und kulturelle Gemeinsamkeiten. Die Nation wird
als eine "soziale Gemeinschaft" angesehen, deren Angehörige sich
freiwillig dazu bekennen. Dabei spielen neben gemeinsamen kulturellen und
geographischen Gegebenheiten, auch gemeinsame Bestrebungen und Lebensweisen eine
Rolle. Diese Gemeinsamkeiten bringen die Menschen physisch und psychisch näher
und tragen dazu bei, daß sie sich immer mehr ähneln. Die sozialen,
kulturellen, wirtschaftlichen und politischen Zusammenschlüsse führen
zu der Etablierung einer "sozialen Gesellschaft".
Das Bewußtsein der Personen, die auf dem Gebiet der Türkei
lebten und leben, daß sie der gleichen Religion und Abstammung angehören,
hat viel dazu beigetragen, daß in der Vergangenheit durch
Heiratsbeziehungen eine "soziale Gesellschaft" entstehen konnte, deren
Zusammenhalt immer stärker wird. Für die Etablierung einer "sozialen
Gesellschaft" auf dem Gebiet der heutigen Türkei war einer der
wichtigsten Ursachen, daß sich die einzelnen Volksgruppen nacheinander in
kleinen Gruppen zum Islam bekannt haben und daß sich diese Gruppen jeweils
auf das ganze Gebiet verteilt und sich den Leuten dort angepaßt haben. Es
kann gesagt werden, daß die "soziale Gesellschaft" der "Türkisch-Islamischen
Synthese" aus einem bestimmten Kulturkreis besteht. Die "soziale
Gesellschaft" ist bereit Leute aus dem gleichen Zivilisationskreis in die
Gesellschaft zu integrieren, wobei hier die Integration eigentlich als
Assimilation verstanden werden muß, da die Synthese die Meinung vertritt,
daß alle Faktoren beseitigt werden müssen, die die Einheit der
Gesellschaft gefährden könnten.
Dadurch werden die Eigenheiten der neuen Mitglieder gar nicht beachtet. Sie
haben sich den Interessen der Gesellschaft zu beugen und alles zu unterlassen,
womit man die Einheit gefährden könnte. Wenn Personen ihre Interessen
außerhalb den Interessen der Gesellschaft sehen, so sollte man sich von
diesen Leuten trennen. Genauso sollte man sich laut der Synthese von Leuten
trennen, die sich zum Nachteil der Gesellschaft vorteile verschaffen. Hierzu
wird in der Literatur auch ein Hadis (Aussage) des Propheten angeführt,
welches folgendermaßen lautet:
"Wer uns betrügt ist nicht einer von uns."
Die Bemühung um das Wohl der Gesellschaft und deren Priorität hat
nicht zu bedeuten, daß man eine klassenlose Gesellschaft haben will.
Klassenunterschiede gehören zu den Besonderheiten die eine Gesellschaft
ausmachen und formen. Laut der Synthese konstituiert sich die türkische "soziale
Gesellschaft" schon seit jahrtausenden. In der Zeit hat sich auch ein türkischer
Typus herausbildet.
1.4 Der türkische Typus laut der "Türkisch-Islamischen
Synthese"
Die Synthese versucht einen bestimmten türkischen Typus
herauszustellen, nach dem man einen Türken erkennen soll. Dazu werden alte
Gedichte, Geschichten, Märchen und Sagen verwendet, wo Frauen und Männer
beschrieben werden. So wird der Typus einer türkischen Frau folgendermaßen
beschrieben:
Eine türkische Frau hat eine gewölbte Augenbraue >Hilalkasli<,
Gazellen Augen >ceylan gözlu<, Lippen wie Knospen >gonca dudakli<
und eine Statue wie eine Zypresse >servi boylu<. Der türkischen Mann
soll folgende Eigenschaften haben: eine Brust wie ein Stier >boga gögüslü<
und einen Rücken wie ein Wolf >kurt belli<.
Diese Assoziationen sind dahingehend zu deuten, daß die Türken
vor der Annahme des Islams Nomaden waren und eine besondere Beziehung zur Natur
hatten. Solche Assoziationen sind nicht nur für die türkische
Gesellschaft aus der Luft gegriffen, sondern auch für andere Völker
und Gesellschaften. Zu diesem Thema kann ich leider nicht so besonders viel
schreiben, da die Literatur zu wenig Informationen hergibt.
In der Literatur gab es auch keine Hinweise, in wie fern diese
Beschreibungen heute noch ihre Gültigkeit haben. Aber eins steht fest, und
zwar, daß solche Beschreibungen in der Literatur und in Liedern ziemlich
oft vorkommen.
1.5 Legitimation der "Türkisch-Islamischen Synthese" durch
den Islam
Die bisher bearbeiteten Themen waren zum größten Teil aus
nationalen Bewegründen abgeleitet und legitimiert worden.
Nationale Faktoren haben bis jetzt gegenüber den islamischen Faktoren
dominiert. In diesem Abschnitt möchte ich auf die Legitimation der Synthese
durch den Islam eingehen. Die Urheber der "Türkisch-Islamische
Synthese" sind sich im klaren, daß der Islam nicht für eine
bestimmte Gruppe von Menschen herabgesandt wurde. Dies geht aus der Literatur
hervor. So werden Quranverse angeführt, die das unterstreichen:
" Und wir entsandten dich nur als eine Barmherzigkeit für alle
Welt" (Enbiya,107)
" Sprich: O ihr Menschen, siehe, ich bin zu euch insgesamt ein
Gesandter Allahs,..." (A'raf,158).
Die Synthese versucht nicht den Islam als die Religion der Türken
darzustellen, sondern die Sonderrolle der Türken innerhalb der islamischen
Welt heraus zu arbeiten.
Die Synthese macht eine klare Unterscheidung zwischen Muslimen und
Nicht-Muslimen. So werden Muslime als >ümmet-i icabet< (die der
islamischen Gemeinschaft eingetretenen) und Nicht-Muslime >ümmet-i davet<
(die der Gemeinschaft eingeladenen) bezeichnet. Diese Einteilung findet nach
Imam-i Birgivi (1523-1573) statt. In der Unterscheidung wird klar deutlich
gemacht, daß sich die Urheber bewußt sind, daß alle Muslime
einer Gemeinschaft angehören. Trotz dieses Bewußtseins werden durch
einige Quranverse die besondere Stellung der Türken herausinterpretiert. So
lauten einige Verse:
" O ihr, die ihr glaubt, wenn sich einer von euch von seinem Glauben
abkehrt, wahrlich, dann erhebt Allah ein Volk, das er liebt und das ihn liebt,
demütig vor den Gläubigen, stolz wider die Ungläubigen, streitend
in Allahs Weg und nicht fürchtend den Tadel des Tadelnden. Das ist Allahs
Huld; er gibt sie, wem er will, und Allah ist weitumfassend und wissend."
(Maide,54)
"...Und wenn ihr euch abwendet, so wird euch mit einem andern Volk
vertauschen. Alsdann werden sie nicht gleich euch sein." (Muhammed,38)
" So ihr nicht auszieht, wird er euch strafen mit schmerzlicher Strafe
und ein anderes Volk an eure Stelle setzen; ..." (Tevbe,39)
" Sprich zu den Dahintergebliebenen von den Arabern: >Ihr sollt
gerufen werden zu einem Volk von großem Mut; ihr sollt mit ihnen kämpfen
oder sie werden Muslime. Und wenn ihr horcht, wird euch Allah schönen Lohn
geben; wenn ihr jedoch den Rücken kehret, wie ihr ihn zuvor gekehrt habt,
wird er euch mit schmerzlicher Strafe strafen.<" (Fetih,16)
Die "Türkisch-Islamische Synthese" besagt, daß durch
solche Verse die besondere Stellung der Araber zu gunsten der Türken verändert
wurde. Dieser Vers wird nicht nur als eine Drohung für die Araber gedeutet,
von denen die Führungsrolle entnommen werden würde, wenn sie sich vom
Islam entfernen würden, sondern auch als eine Schilderung der türkischen
Völker, die den Islam annehmen und die Führungsrolle innerhalb der
islamischen Gesellschaft einnehmen würden. Die Geschichte des türkischen
Volkes zeigt, daß die Eigenschaften, die in dem Vers erwähnt werden
auf die türkischen Völker zutreffen. Sie waren schon immer gegenüber
ihren Feinden Stolz und gegenüber ihren Freunden demütig. Sie haben
nach Annahme des Islams im Namen Allahs Kriege geführt, um den Geboten
Allahs auf Erden Geltung zu verschaffen.
Die Umstände, unter denen die türkischen Völker den Islam
annahmen bekräftigen solche Theorien, da die türkischen Völker
die einzigen waren, die den Islam als Eroberer und Überlegene annahmen.
Nach dem die türkische Völker die muslimisch-arabischen Heere besiegt
hatten, nahmen sie auch ihre Religion an. Die türkischen Völker gehörten
damals zu den Zivilisiertesten Völkern der Zeit. Mit der Annahme des Islams
gingen die Türken so weit, daß sie ihre alten Werte aufgaben und ganz
im Islam aufgingen (Barthold). Laut der Synthese haben die Türken es dem
Islam zu verdanken, daß sie in der Geschichte eine bedeutsame Rolle
gespielt haben. Denn alle türkischen Völker, die nicht den Islam
angenommen haben, wie die Hazaren, Uzlaren, Kumlaren, Macaren und Bulgaren die
zum Christentum übergetreten waren und die Tabgacaren, die zum Buddismus übergetreten
waren, sind in anderen Kulturen und Zivilisationen untergegangen. Der Islam
erlaubte den türkischen Völkern bestimmte Eigenschaften zu behalten,
mit denen sie vergangene Zivilisationen mitkreierten hatten.
Die Betonung der besonderen Stellung der Türken hat nicht zu bedeuten,
daß die anderen Völker und Gesellschaften (Nationen) minderwertig
sein. Die Synthese besagt, daß alle Völker und Gesellschaften
(Nationen) etwas besonderes sein und daß man keine Unterscheidung in gut
und schlecht vornehmen kann.
1.6 Kurze Zusammenfassung
Die "Türkisch-Islamische Synthese" ist in den sechziger
Jahren entstanden und versucht türkische und islamische Elemente
miteinander zu verbinden. Die Synthese ist als eine Reaktion auf die "Entislamisierung"
in den 20'er, 30'er und 40'er Jahren zu verstehen. Es wird der Versuch
unternommen, anhand vergangener und gegenwärtiger Faktoren eine neue
Gesellschaft zu konstituieren, deren Angehörige sich freiwillig dazu
bekennen. Die Synthese versucht die Kultur, Religion, Geschichte, Abstammung,
geographische Lage und die Sprache dazu zu verwenden, um die Beziehung innerhalb
der Gesellschaft aufzubauen und zu verstärken. Durch Ausprägung
moralischer Werte sollen die Individuen dazu erzogen werden, das Wohl der
Gesellschaft vor den eigenen zu stellen.
Die Synthese versucht das nationale Bewußtsein durch Quranverse zu
rechtfertigen. Interessant bei der Synthese ist, daß die religiösen
Pflichten wie Beten, Fasten, Pilgerfahrt usw. gar nicht vorkommen. Die Synthese
beschäftigt sich nur mit religiösen Pflichten, die das
gesellschaftliche Leben betreffen. Die Individuellen Verpflichtungen, die nur
gegenüber Allah zu rechtfertigen sind werden nicht erfaßt.
Die Synthese versteht sich nicht als eine Reaktion auf andere Theorien,
Thesen oder Nationen, sondern als eine Aktion, die auch entstanden wäre,
wenn andere Nationen sich nicht auf ihre Herkunft bekennen würden. Die
Synthese geht davon aus, daß alle Nationen und Gemeinschaften besondere
Eigenschaften haben, die charakteristisch für sie sind und worauf sie auch
stolz sein dürfen.
2. Der türkische Nationalismus
Der türkische Nationalismus tritt in vielen verschiedenen Formen auf.
Es ist nicht möglich die verschiedenen Formen
des Nationsverständnisses anhand weniger und allgemeingültiger
Erläuterungen darzustellen. Daher werde ich kurz die gängigsten
Theorien aufzählen, ohne in die Details zu gehen.
1. Osmancilik: Bei dieser Auffassung von Nation handelt es sich um
eine bewußte und gewollte politische Gemeinschaft, die sich das ehemalige
Osmanische Reich als Vorbild nimmt.
Die Anhänger unterstützen die Idee, daß das alte
Millet-System wieder hergestellt wird und daß damit die Minderheiten in
bestimmten Bereichen Autonomie bekommen. Für die Befürworter dieser
Bewegung sind ethnische Herkunft und religiöse Zugehörigkeit von
geringerer Bedeutung. Der wichtigste Faktor bei dieser Bewegung ist die
Gebundenheit an die gemeinsame Zukunft und die Loyalität gegenüber dem
Staat.
2. Pan-Türkizm: Die Bewegung, impliziert unter dem Begriff der
Nation, die Nachkommen aller Türkvölker ohne auf ihre kulturelle und
religiöse Zugehörigkeit zu achten.
Die Bewegung verfolgt die Idee eines großtürkischen Staates, in
dem Kirgisen, Kasaken, Baschkiren, Aserbeidschaner und viele andere Türkvölker
leben sollen.
3. Turancilik: Unter Turancilik versteht man eine Bewegung, dessen
Ziel der Zusammenschluß alle Nachkommen von Turan-Han ist.
Diese Bewegung versucht nicht nur die Türkvölker, die sich auch
zum Türkentum bekennen, sondern auch einige Völker aus Ungarn, Polen
und Finnland zusammen zu führen.
4. Türkiyecilik: Türkiyecilik bedeutet die Akzeptanz der
Türkei in den Grenzen, die in den Verträgen von Lausanne (1923)
festgelegt wurden. Alle Personen, die in diesen Grenzen leben werden durch diese
Verträge als Türken angesehen, ohne auf ihre ethnische und religiöse
Herkunft zu achten. Die Nation wird durch die Zugehörigkeit zum türkischen
Staat erklärt.
3. Islamisches Verständnis einer Nation
Das islamische Verständnis einer Nation bedarf einer längeren Erläuterung,
da es ansonsten mißverstanden werden könnte. Denn das islamische
Nationsverständnis resultiert aus der Religion, in dem auch Vorschriften
enthalten sind, die das Miteinanderleben regeln. Somit ist es wichtig, daß
man zuerst analysiert, wie der Islam das Zusammenleben von Menschen regelt und
wie die Zusammensetzung einer Gemeinschaft nach islamischen Regeln auszusehen
hat.
Im Islam gibt es keine Nation im herkömmlichen Sinne. Die Angehörigen
eines Staates sind in viele Gemeinschaften unterteilt, denen der Islam
gesellschaftliche und rechtliche Autonomie gewährt. Die islamische
Auffassung von Autonomie bedeutet nicht, daß man alles tun und lassen
kann, was man will, sondern daß man solange frei handeln kann, solange man
sich selber und anderen nicht schadet.
Der Islam selbst ist eine "Gemeinschaft der Ideologie", d.h.
einer Sache, die von Menschen allein abhängt und nicht etwa von der Zufälligkeit
seiner Geburt als Bindeglied. In die islamische Gemeinschaft können alle
Menschen eintreten, denn der Islam ist nicht einem bestimmten Personenkreis
vorbehalten. Der Islam unterscheidet aber zwischen seinen Mitgliedern und
anderen Personen in zwei Kategorien:
1. mit der Leichtigkeit, mit der Hindernisse überschritten werden können,
durch "Anerkennung seinerIdeologie"
2. mit der Akzeptanz von geringfügigen Ungleichheiten der Menschen im
Hinblick auf die irdischen Belange.
Eine Gleichstellung von Gläubigen und Ungläubigen kann nicht gewährleistet
werden, da die einen Allahs Geboten folgen und die anderen nicht. Diese
Ungleichstellung bezieht sich auf das Jenseits. Im irdischen Leben haben die
Gelehrten die größtmöglichste Gleichberechtigung empfohlen,
soweit sich dies mit dem Islam vereinbaren läßt.
In der Praxis sah es so aus, daß zu Lebzeiten des Propheten die
Christen und Juden gleichberechtigt waren. Als Mitglieder der medinenischen Umma
(Gemeinschaft) waren die Nicht-Muslime an dem Schutz der Gemeinschaft genauso
verpflichtet, wie die Muslime. Die Gleichberechtigung muß anhand von Verträgen
festgehalten werden, in dem das gesellschaftliche und rechtliche Leben klar
definiert wird. In Medina wurde die Gleichberechtigung solange beibehalten, bis
ein Vertragsbruch stattgefunden hatte. Dem Propheten waren die Rechte der
Nicht-Muslime so wichtig, daß er folgendes sagte:
" Wenn irgendwo nicht-muslimische Untertanen unterdrückt werden
sollten, so werde ich am Tage der Auferstehung ihr Anwalt sein (gegen den
muslimischen Unterdrüker)" (Eine überlieferung von Mawardi).
Aus der politischen Partizipation von Nicht-Muslimen in der Ära des
Propheten, wird der Schluß gezogen, daß sich Nicht-Muslime auch in
einem zukünftigen islamischen Staat politisch betätigen dürfen.
Aus islamischen Quellen und der Geschichte kann man entnehmen, daß sie bis
zum Posten eines Ministers aufsteigen können. Das Amt des Staatsoberhauptes
bleibt ihnen verwehrt, da dieser Posten dem islamischen Oberhaupt vorbehalten
ist.
Zusammengefaßt könnte man sagen, daß in einem islamischen
Staat die Nation aus vielen Gemeinschaften bestehen würde, die rechtliche
und gesellschaftliche Autonomie besitzen würden. Eine Gleichberechtigung
zwischen Muslimen und Nicht-Muslimen würde angestrebt werden. Das
islamische Verständnis einer Nation beruht nicht auf einer homogenen
Gesellschaft, sondern auf einer hetrogenen. Die gesellschaftlichen Beziehungen
und das Zusammenleben muß anhand von Verträgen festgehalten werden.
4. Die "Türkisch-Islamische Synthese" im Vergleich mit dem türkischen
Nationalismus und dem islamischen Verständnis einer Nation
Die "Türkisch-Islamische Synthese" ist eher mit dem türkischen
Nationalismus zu vergleichen, als mit dem islamischen Verständnis einer
Nation. Die Kriterien, die die "soziale Gesellschaft" ausmachen sind
fast mit den Kriterien der nationalistischen Theorien identisch. Merkmale wie
Kultur, Sprache, Abstammung und Religion werden als gemeinsame Merkmale
deklariert, die eine Nation ausmachen. Die Integration in die "soziale
Gesellschaft" ist nur durch die Aufgabe der eigenen Identität möglich.
Die Homogenität, die für die "soziale Gesellschaft"
angestrebt wird widerspricht der islamischen Auffassung einer Nation. Denn der
Islam akzeptiert die Verschiedenheit der Menschen und der Gemeinschaften. Im
Islam werden Unterschiede nicht als Trennungsmerkmale gesehen, welche man
aufrecht erhalten sollte, sondern als Gegebenheiten mit denen man so gut wie Möglich
leben soll. Die "Türkisch-Islamische Synthese" hingegen hält
an den Unterschieden fest und ist bemüht diese auch aufrecht zu erhalten.
So wird der Quranvers:
" O ihr Menschen, siehe, wir erschufen euch von einem Mann und einem
Weib und machten euch zu Völkern und Stämmen, auf daß ihr
einander kennet. Siehe, der am meisten Geehrte von euch vor Allah ist der
Gottesfürchtigste unter euch;..." (Hucurat,13)
dahingehend interpretiert, daß die Aufteilung in verschiedene Völker
und Stämme von Allah gewollt ist und daß mandiesen Zustand auch
beibehalten soll. Laut der Interpretation von islamisch ausgerichteten Personen
wird dieser Vers so verstanden, daß die Aufteilung in Völker und Stämme
von Allah gewollt ist, daß aber die Muslime bemüht sein sollen andere
Völker und Stämme kennenzulernen, wie es in dem Vers auch angeführt
wird.
Viele Punkte der "Türkisch-Islamischen Synthese" sind mit
dem Islam gar nicht vereinbar. So versucht die Synthese vorislamische Elemente
aufzugreifen und sie als Identifikationsmerkmale für die Türken zu
benutzen, wie die vorislamischen Eigenschaften der türkischen Völker.
Die Anhängerrühmen sich mit den Eigenschaften und Taten ihrer Ahnen.
Der Islam dahingegen verbietet das Stolz sein auf nicht-islamische Ahnen.
So lautet ein Hadis:
"Wer sich mit neun nicht-muslimischen Ahnen rühmt und auf sie
Stolz ist, wird in der Hölle ihr Heizer sein." (Überliefert
vonMusned Ahmed b. Hanbel)
Außerdem spielt Abstammung und Blutsverwandtschaft für die
"Türkisch-Islamische Synthese" eine wichtige Rolle, was auch
bei den Nationalisten der Fall ist. Der Islam unterscheidet sich in diesem Punkt
von der Synthese, da er jeden Bezug auf die Abstammung ablehnt. In einem Hadis,
welches von Ibn-i Abidin überliefert wurde sagt der Prophet, daß
Personen die zur Stammesbesinnung aufrufen und für die Stammessache kämpfen
nicht von uns sind. Außerdem heißt es weiter, daß Personen die
für die Stammessache sterben auch nicht von uns sind. Damit macht der
Prophet deutlich, daß solche
Leute von der islamischen Gemeinschaft ausgeschlossen werden, was auch
gleichzeitig bedeutet, daß sie vom Islam ausgeschlossen werden.
Die "Türkisch-Islamische Synthese" ist weder in das
islamische noch in das nationalistische Lager einzuordnen, da sie von beiden Ansätzen
bestimmte Elemente hat und gleichzeitig in sehr vielen Punkten im Widerspruch zu
den beiden Lagern steht. Die "Türkisch-Islamische Synthese" könnte
für die
Zukunft interessant sein, da der Trennt in der islamischen Welt dahin geht,
daß eine Dezentralisierung und Lokalisierung in Bezug auf die
Umma-Beziehungen stattfindet. Die Muslime verfolgen nicht mehr das Ziel eine
einzige Gemein-
schaft zu bilden, sondern ein Zusammenleben in Form von vielen
Gemeinschaften. So ist sogar unter den deutschen Muslimen, deren Begegnung mit
dem Islam gar nicht mal so lange zurück liegt, der Trennt zu beobachten, daß
sie sich von anderen Muslimen abkapseln, um eine eigenständige Gemeinschaft
etablieren zu können.
Sollten die Führungskräfte und die Anhänger der "Türkisch-Islamischen
Synthese" die Veränderungen unserer Zeit richtig erkennen und die
Synthese dem entsprechend verändern, so sehe ich für die Zukunft eine
wichtige Rolle auf die "Türkisch-Islamische Synthese" zukommen.
L I T E R A T U R V E R Z E I C H N I S
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Quelle: Burhan's Homepage