Abdel Rahman Badawis Werk
über Rabia al-Adawiyya, die Märtyrerin der göttlichen Liebe erscheint in englischer
ÜbersetzungFür mich stellt dieses
Werk des arabischen Philosophen des Existenzialismus, des Ägypters Abdel Rahman Badawi
(1917-2002), eines der besten philosophischen Untersuchungen über den ersten Sufismus
dar. Es trägt auch wesentlich zum interreligiösen Dialog mit dem Christentum bei, da
verschiedene Vergleiche mit der christlichen Mystik der Gottesliebe hergestellt werden.
Der psychologisch
und theologisch-philosophische Weg von Rabia hin zur göttlichen Liebe wird als vollkommen
entmaterialisierte Erfahrung jenseits der religiösen Gesetze vorgestellt und mit der
Erfahrung großer christlicher Mystiker wie Theresa v. Avila und Johannes vom Kreuz
verglichen.
Ein zweiter
wichtiger Aspekt ist die Weiblichkeit von Rabia, die als Mystikerin im Rahmen des
islamischen Feminismus als Modell der unendlichen Aufopferung und des mutigen Kampfes für
die weibliche spirituelle Entwicklung gilt.
Für mich ist
Badawis Werk vor allem dank seiner detaillierten historischen und philosophischen
Untersuchungen, seiner kritischen Bewertung hagiographischer Quellen, der klaren
Unterscheidung zwischen Realität und Legende und der Bedeutung der Spiritualität für
den persönlichen Glauben sehr lesenswert.
Die
Entmaterialisierung der Spiritualität und die Liebe Allahs jenseits der materiellen Kaaba
und der Existenz von Paradies und Hölle gelten für Badawi als ein außerordentlich
fortschrittlicher Begriff für jenes frühe islamische Zeitalter.
Ohne die
Untersuchung der Biografie und Geschichte Rabias, jenseits der Legenden und Verwechslungen
ihrer Person mit einer anderen Rabia, ist das wahre Verständnis ihres spirituellen Lebens
unmöglich. Denn Spiritualität ist eine Entwicklung über einen bestimmten Zeitraum, der
historisch erörtert werden muss.
Über das Leben
von Rabia al-Adawiyya wissen wir leider sehr wenig. Sie stammte aus ärmlichen
Verhältnissen und wurde als Sklavin verkauft. Nach ihrer Beschäftigung als Musikerin
veränderte sie sich vollkommen und bekehrte sich zur wahren Mystik der Liebe.
Für Badawi
entspricht der gelebte Zustand der Gottesliebe in Rabias Seele ihrer perfekten
entmaterialisierten Spiritualität als Märtyrerin der Gottesliebe.
Durch den Verzicht
auf jeglichen Aspekt des materiellen Lebens, so auch auf die eheliche Verbindung, erreicht
Rabia die wahre Gottesliebe, die sich über die leidenschaftliche Liebe erhebt. Sie liebt
Allah nur Seines willen, ohne jegliche Hoffnung auf das Paradies. In einer philosophischen
Ausschweifung sieht Badawi eine mögliche Annäherung zwischen Rabias Gottesliebe und des
Ewig Weiblichen in Goethes Faust, indem er eine Übereinstimmung nicht
ausschließt, die Frage aber offen lässt.
Von der passiven
Erfahrung der wahren Gottesliebe strebte Rabia auch den letzten Schritt einer aktiven
Liebe in Antwort auf diese von ihr erfahrenen, passiven Liebe an.
In topologischer
Hinsicht sieht Badawi Rabias Weltanschauung der extremen Entmaterialisierung als
revolutionär an, weil sie die Bindung des Glaubens an jegliche Materialität vollkommen
überwindet. Der zentrale Gedanke Rabias ist der der göttlichen Liebe jenseits jeglicher
topografischer Festlegung der religiösen Pflichten. Badawi bezieht sich aber hier auch
auf die orthodoxe Anschauung des Islam, nach der Allah unabhängig von der topographischen
Bindung an jedem Ort verehrt werden kann. Die These des Autors besagt, dass Rabia das
islamische Denken revolutionär reformierte, indem sie die materiellen Aspekte der
Religion kritisierte, wie wir anhand ihres Diskurses über die Kaaba sehen.
Ein anderer
wichtiger Aspekt, den Rabia in die islamische Spiritualität einführte, bezieht sich auf
die Notwendigkeit des Schmerzes, der uns sehr an die dunkle Nacht von Johannes vom Kreuz
erinnert. Die wahre Verehrung Allahs muss ohne das Anstreben von Vorteilen und ohne Angst
vor dem Höllenfeuer erfolgen. Diese ist für Badawi die zentrale Botschaft der
Spiritualität von Rabia.
Die
gesamte englische Rezension finden Sie hier:
http://www.promosaik.com/abdel-rahman-badawi-rabia-al-adawiyya-martyr-of-divine-love/
Dr. phil. Milena Rampoldi