Experte sieht Bedarf von 4500 Lehrern für Islam-Unterricht

Muhammad Salim Abdullah: Konzept für Lehrfach muß von allen Moslem-Verbänden in Deutschland mitgetragen werden

Von Gernot Facius

Berlin - Bei der Einführung von islamischem Religionsunterricht in deutschen Schulen werden nach Einschätzung des Direktors des Zentralinstituts Islam-Archiv-Deutschland, Muhammad Salim Abdullah, für den Anfang 4500 Religionslehrer benötigt.

Die Politiker sollten sich deshalb klar darüber werden, daß "eine Reihe von Hausaufgaben" auf sie zukäme, empfiehlt ihnen Muhammad Salim Abdullah in einem Gespräch mit der WELT. Diese Aufgaben beträfen auch die Einrichtung von islamischen religionspädagogischen Lehrstühlen an den Universitäten, die Einrichtung einer Schulbuchkommission mit dem Auftrag, eine "gründliche Schulbuchrevision mit Blick auf den Islam vorzunehmen" und die stärkere Teilnahme am Dialog mit dem Islam, "und zwar vornehmlich im politischen Bereich". Natürlich müsse der Unterricht, wenn er als ordentliches Lehrfach erteilt werden soll, in deutscher Sprache stattfinden und der deutschen Schulaufsicht unterstellt sein.

In der Tat mangele es auf islamischer Seite an einem einheitlichen Ansprechpartner, räumt der Institutsdirektor ein. Das Fehlen eines solchen Partners für den Staat wird von den deutschen Politikern als eines der gravierendsten Hindernisse für die Einführung islamischen Religionsunterrichts angesehen. Salim Abdullah meint jedoch, inzwischen gebe es "mehrere gewählte und auch kompetente" islamische Gremien in Deutschland: "Ich erwähne hier die semistaatliche Türkisch-Islamische Union, den Islamrat und den Zentralrat der Muslime oder den Verband Islamischer Kulturzentren. Sie könnten den Anfang machen auf dem Wege zu einer gemeinsamen Kommission, die dann allerdings auch die große Mehrheit der Muslime in Deutschland von ihrer Kompetenz überzeugen müßte." Die Politik würde den falschen Weg gehen, würde sie auch nur einen der möglichen Gesprächspartner favorisieren. "Es geht um ein von allen islamischen Verbänden getragenes Konzept."

In dem WELT-Gespräch vertritt Muhammad Salim Abdullah ferner die Auffassung, unter dem Druck des christlichen Religionsverständnisses könnte es zu einer Art Verkirchlichung des Islam in Deutschland kommen. Als nichtorgani-
sierte, nichtverfaßte "Religionsgemeinschaft" habe der Islam strenggenommen keinerlei Möglichkeiten, sich als Kirche zu konstituieren, erläutert der gebürtige Bosnier seine Position. In Deutschland machten Muslime die Erfahrung, daß sie juristische Personen bilden müßten, um ihre Rechte - "eben auch die religiösen" - zu wahren.

Das Zentralinstitut Islam-Archiv-Deutschland ist ein eingetragener Verein. In seinem Kuratorium sitzen unter anderem Politiker, Vertreter der christlichen Kirchen und der Präsident des Zentralrats der Juden, Ignatz Bubis.

Quelle: Die Welt, 21.12.99

@ Ekrem Yolcu

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