Die Schariagrundlagen, auf denen die Beziehungen zwischen Muslimen und Nichtmuslimen gegründet sind

Feisal Maulawi

(ehem. Berater des obersten Schariagerichtes der Sunniten in Beirut)

Übertragen aus dem Arabischen von Samir Mourad

Übersetzung erhältlich bei:

Deutschsprachiger Muslimkreis Karlsruhe (DMK)

Stefanienstr.21

76133 Karlsruhe

Tel. 0721/22307

Fax. 0721/22304

 

Inhaltsverzeichnis

Vorwort *

 

Einführung in die Prinzipien der islamischen Scharia, welche die Beziehungen zwischen Muslimen und Nichtmuslime festlegen *

Erstes Prinzip: Gegenseitiges Kennenlernen und Helfen *

Zweites Prinzip: Die Einladung (arab. Da‘wa) zu Allah dem Erhabenen *

Drittes Prinzip: Der islamische Staat soll auch zu Allah einladen *

Viertes Prinzip: Die Einladung zu Allah mit dem schönen Wort, nicht mit Gewalt und Grobheit *

 

Kapitel 1: In Zeiten des Friedens sind die besten Umstände gegeben, daß sich die Botschaft des Islam ausbreitet *

 

Kapitel 2: Die quranischen Verse, die über den Kampf sprechen, und deren Gültigkeitsabfolge entsprechend der fortgeschrittenen Umstände *

Die erste Phase: Überbringung der Einladung des Islam ohne Kampf *

Die zweite Phase: Die Erlaubnis, gegen denjenigen zu kämpfen, der einen bekämpft hat *

Die dritte Phase: Der Befehl zum Kampf gegen denjenigen, der die Muslime bekämpft *

Die vierte Phase: Erlaubnis dafür, daß die Muslime ihrerseits den Kampf gegen ihre Feinde beginnen *

  • Erstens: Die Götzendiener auf der arabischen Halbinsel *
  • Zweitens: Die Leute der Schrift (Juden und Christen) *
  • Drittens: Gibt es bei Versen, die vom Kampf handeln, ein Nasih und Mansuh, d.h. solche Verse, die von anderen abrogiert (d.h. rechtlich außer Kraft gesetzt) wurden? *

Die Meinungen von Imam as-Suyuti und von Raghib al-Asfahani *

 

Kapitel 3: Einige Ahadith (d.h. Überlieferungen des Propheten), die vom Kampf handeln, und deren Auslegung *

 

Kapitel 4: Was ist bei den Muslimen der Beweggrund zu kämpfen? *

 

Kapitel 5: Welches sind die Forderungen, die die Muslime an ihre Feinde beim Kampf stellen? *

 

Kapitel 6: Land des Islam (darul-islam) und Land des Kufr (darul-kufr) *

Erstens: Der Normal- bzw. Grundzustand im Verhältnis zwischen Muslimen und Nichtmuslimen ist der, in dem die Muslime die Nichtmuslime zum Islam einladen, und nicht der Zustand des Kampfes zwischen beiden *

Zweitens: Die Muslime bekämpften die Byzantiner und die Perser, um die unterdrückten Völker davon zu befreien, daß sie mit Gewalt vom Islam abgehalten werden: *

Drittens: Der Krieg, den die Muslime zur Befreiung der Völker führten, führte zu einem neuem Zustand auf der Erde. Bei der Einteilung der Erde, die sich in diesem entstandenen Zustand befand, benutzten die Rechtsgelehrten die Begriffe Darul-Islam (Land des Islam) und Darul-Harb (wörtl. Kriegsland): *

  • Darul-Islam: *
  • Darul-Harb: *
  • Darul-'Ahd (Land, mit dem ein Vertrag eingegangen worden ist), *
  • 1- Was soll das Maß für das Vorhandensein der Herrschaft des Islam und der Umsetzung der sichtbaren Kennzeichen des Islam sein? Soll es die vollständige Umsetzung der islamischen Bestimmungen sein? Dies würde bedeuten, daß die meisten muslimischen Länder heute nicht mehr zum darul-islam gehören. *
  • 2- Was den darul-harb anbetrifft, was sind die Kennzeichen, die ein Land zum darul-harb machen? *
  • 3- Die Muslime in den Ländern des Westens befinden sich nicht in einem darul-harb (Kriegsgebiet): *
  • 4- Die Muslime betreten diese Staaten mit einem Abkommen, was einem Sicherheitsgarantieakommen ähnelt: *

 

Kapitel 7: Die Verhaltensgrundsätze zwischen uns und den Einwohnern dieser Länder *

 

 

 

 

 

 

 

 

Im Namen Allahs, des Allerbarmers, des Barmherzigen

 

Vorwort

 

Dank sei Allah dem Herrn der Welten, und Allahs Segen und Heil seien auf dem Gesandten Allahs, Muhammad, seiner Familie und seinen Gefährten...

Die Vereinigung der islamischen Organisationen in Frankreich hat mich zu ihrem Jahrestreffen 1986 eingeladen. Dieses Jahrestreffen findet gewöhnlich in der arbeitsfreien Zeit am Ende des Jahres statt. Dort hielt ich einen Vortrag mit dem Titel "Der Muslim in einer nichtislamischen Gesellschaft". Danach wurde Gelengenheit für die Beantwortung von Fragen der Anwesenden gegeben, die ein großes Interesse der muslimischen jungen Männer an den islamischen Rechtsfragen, die mit ihrem Aufenthalt und dem Umgang mit Nichtmuslimen zusammenhingen, aufzeigten. Der Vortrag hatte die Prinzipien erläutert, auf denen die Beziehungen zwischen Muslimen und Nichtmuslimen aufgebaut sind, und hatte versucht, einige falsche Vorstellungen in Bezug auf den Kampf, den Dschihad, den Begriff des Darul-Islam (Land des Islam) und Darul-Harb (Kriegsgebiet) richtigzustellen. Aus Zeitgründen behandelten erst die Antworten auf die Fragen einige ins Detail gehende islamische Rechtsfragen. Dies, obwohl der Vortrag einschließlich der anschließenden Fragen und Antworten mehr als drei Stunden in Anspruch nahm.

Die Verantwortlichen der Vereinigung der islamischen Organisationen in Frankreich baten mich, den Vortag wegen seiner Wichtigkeit vorallem in den nichtislamischen Ländern drucken zu lassen. Weil ich den Vortrag nicht in schriftlicher Form vorliegen hatte, dauerte sein Aufschrieb eine gewisse Zeit, und ich fand es angebracht, auf die Quellen zu verweisen, die ich benutzt habe, um dem Leser das Nachlesen zu erleichtern, wenn er dies wünscht. Es kann sein, daß ich einige Quellen aus Versehen nicht angegeben habe, da diese Studie ursprünglich nicht für eine Veröffentlichung in einem Buch vorbereitet war. Vielleicht werde ich in einer weiteren Auflage diesen und ähnliche Mängel beheben, wenn mir Allah der Erhabene dazu eine Gelegenheit gibt.

Das europäische Büro der Weltorganisation der muslimischen Jugend spendete die Mittel für den Druck dieses Textes, um ihren Beitrag zur Bildung der muslimischen Jugend im Westen zu leisten. Allah möge diejenigen belohnen, die daran beteiligt waren.

Und schließlich bitte ich Allah den Erhabenen, daß Er hilft, daß dieser Text einen Nutzen bringt. Ich hoffe auch, daß jeder Leser mich auf eventuelle Fehler im Text aufmerksam macht, und auch für mich von Allah Gutes erbittet. Allahs Segen und Heil seien auf dem Muhammad, dem analphabetischen Propheten, seiner Familie und seinen Gefährten...

Beirut, den 1. Muharram al-Haram 1408 n.H. (26. August 1987 n.Chr.)

Der Autor

 

 

 

Im Namen Allahs des Allerbarmers des Barmherzigen

 

Dank sei Allah und Allahs Segen und Heil seien auf Muhammad, dem Gesandten Allahs, seiner Familie, seinen Gefährten, und denjenigen, die ihm folgen.

Unser heutiges Thema ist:

 

"Die Muslime in einer nichtislamischen Gesellschaft".

Dies ist eines der wichtigsten Themen für uns, die wir hier in diesem Land leben. Wir können dieses Thema aber nicht vollständig verstehen, wenn wir nicht vorher einen Blick auf die islamischen Geschichte werfen, uns einige Prinzipien des islamischen Rechts und einige geistige Fragestellungen ansehen, bei denen es unter den Gelehrten von früher und von heute Meinungsverschiedenenheiten gab. Wenn uns diese Fragestellungen klar geworden sind, dann können wir einen klaren Blick aus der Sicht der islamischen Scharia auf alle Fragestellungen werfen, die mit Dasein und dem Leben der Muslime in nichtislamischen Ländern zusammenhängen.

 

Einführung in die Prinzipien der islamischen Scharia, welche die Beziehungen zwischen Muslimen und Nichtmuslime festlegen

 

 

Erstes Prinzip: Gegenseitiges Kennenlernen und Helfen

Der Grundsatz bei den Beziehungen zwischen Menschen ist das gegenseitige Kennenlernen, das Zusammenleben in Güte und Gerechtigkeit und die gegenseitige Hilfeleistung bei der Erledigung von Dingen.

1- Allah der Erhabene hat gesagt: "O ihr Menschen, Wir haben euch aus Mann und Frau erschaffen und euch zu Völkern und Stämmen gemacht, auf daß ihr einander kennenlernen möget. Wahrlich, vor Allah ist von euch der Angesehenste, welcher der Gottesfürchtigste ist."[49:13] Allah der Erhabene zeigt auf, daß Er sie zu Völkern und Stämmen gemacht hat, damit sie sich gegenseitig kennelernen und nicht, um gegenseitig voreinander zu prahlen und sich gegenseitig gering zu schätzen. Der Märtyer Sayyid Qutb sagt in der Erläuterung bezüglich dieses Verses:

"..Derjenige, Der euch mit diesem Aufruf aufruft, ist Derjenige, Der euch aus Mann und Frau erschaffen hat. Und Er zeigt auch den Zweck auf, weswegen Er euch zu Völkern und Stämmen machte...es ist nicht deswegen, auf daß ihr euch gegenseitig steitet und zankt, sondern auf daß ihr euch gegenseitig kennenlernt und miteinander harmoniert. Die unterschiedlichen Hautfarben, Sprachen, Wesensarten und Charaktere, die unterschiedlichen von Gott gegebenen Gaben und Möglichkeiten - diese Unterschiedlichkeit sollen nicht Streit und Uneinigkeit nach sich ziehen. Sie sollen vielmehr ein gegenseitiges Helfen bei der Erfüllung aller auferlegter Plichten und anstehenden Dinge nach sich ziehen. Die Unterschied in der Hautfarbe, Geschlecht, Spache und Heimat ist vor Allah bedeutungslos. Vor Allah gibt es nur einen einzigen Maßstab, an dem der Vorzug eines Menschen gemessen wird: "..Wahrlich, vor Allah ist von euch der Angesehenste, welcher der Gottesfürchtigste ist."..und so werden alle Unterschiede bedeutungslos, und alle Maßstäbe werden außer Kraft gesetzt bis auf einen, mit dem die Menschheit untereinander richtet...und so verschwinden jegliche Gründe für eine Auseinandersetzung und einen Streit auf der Erde, und es tritt ein großer und offenkundiger Grund für eine gegeseitige Zuneigung und ein gegenseitiges Helfen zu Tage: Die Tatsache, daß alle Menschen Gott dienen sollen und daß die Menschen aus einem Ursprung geschaffen wurden.."

 

2- Allah der Erhabene hat gesagt: "Allah verbietet euch nicht, gegen jene, die euch nicht wegen des Din bekämpfen und euch nicht aus euren Häusern vertreiben, gütig zu sein und redlich mit ihnen zu verfahren; wahrlich, Allah liebt die Gerechten." [60:8]

Der Meister der Qurankommentatoren Ibn Dscharir Tabari sagt in seinem Tafsir bezüglich dieses Verses, nachdem er verschiedene Meinungen angeführt hat, folgendes:

"...Das korrekteste, was bezüglich dieses Verses gesagt wurde, ist, daß dieser Vers bedeutet, daß Allah euch nicht verbietet, gegenüber jenen aus allen möglichen Glaubensrichtungen und Religionen gütig und korrekt zu sein und Verbindungen zu knüpfen, die euch nicht wegen eurer Religion bekämpen. Allah der Erhabene hat mit seiner Aussage "..jene, die euch nicht wegen des Din bekämpfen und euch nicht aus euren Häusern vertreiben.." allgemein jeden mit eingeschlossen, auf welchen diese Eigenschaften zutreffen. Es sind nicht einige davon ausgeschlossen. Und derjenige, der behauptet, daß diese Aussage abrogiert ist, hat nicht recht. Und zwar aus dem Grund, weil das Güteerweisen eines Muslim gegenüber denjenigen, die mit den Muslimen keinen Friedensvertrag haben bzw. sich im Kriegszustand befinden (arab. al-harbiyy)- ob sie Verwandte sind oder nicht - weder verboten (arab. haram) noch unstatthaft (munhi 'anhu) ist, sofern weder für ihn noch für diejenigen, die sich mit den Muslimen im Kriegszustand befinden bzw. kein Friedensvertrag besteht, ein Anzeichen dafür besteht, daß dadurch interne Angelegenheiten bzw. Geheimnisse der Muslime aufgedeckt und entblößt werden, oder daß dadurch eine militärische Stärkung der Feinde der Muslime entsteht. Die Richtigkeit dieser unserer Aussage wird durch die Aussage Ibn Zubairs, welche wir erwähnten, bestätigt, in der er die Geschichte von Asma und ihrer Mutter berichtet..."

 

Was die Geschichte von Asma, der Tochter von Abu Bakr anbetrifft, so wird von Buchari und Muslim in ihren beiden Sahih-Werken überliefert, daß Asma sagte: "Meine Mutter, welche eine Götzendienerin zu dieser Zeit war, kam (nach Medina) in der Zeit, als zwischen den Muslimen und Quraisch ein Abkommen bestand, d.h. nach dem Vertrag von Hudaibiyya. Da ging ich zum Propheten (Allahs Segen und Heil seien mit ihm) und fragte ihn: "O Gesandter Allahs, meine Mutter ist wohlwollend zu mir gekommen. Soll ich ihr entgegenkommen, um die Verwandtschaftsbindung (zwischen uns) zu pflegen?" Er sagte: "Ja! Pflege die Verwandtschaftsbindung zu deiner Mutter!" ".

 

Al-Wahidi berichtete diese Geschichte im "Asbabun-nuzul" (Offenbarungsanlässe), und zwar, daß Umm Asma, Qitla bint Abduluzzu, zu Asma nach Medina mit Geschenken kam, welche Asma nicht annahm. Asma ließ sie auch nicht in ihr Haus. Aischa fragte für sie den Gesandten Allahs (Allahs Segen und Heil seien mit ihm), worauf dieser Vers herabgesandt wurde. Der Gesandte Allahs wies sie daraufhin an, daß sie sie in ihr Haus eintreten lassen, ihre Geschenke annehmen, sie ehren und ihr Güte erweisen solle.

 

 

 

3- Das Abkommen, welches der Gesandte Allahs (Allahs Segen und Heil seien mit ihm) mit den Juden von Medina abschloß, bot ein klares Bild vom Miteinanderleben und der gegenseitigen Unterstützung - das, wonach der Islam bestrebt ist. Sie enhielt Glaubens- und Meinungsfreiheit, Aufenthalts- und Auswanderungserlaubnis, die Unverletztbarkeit von leiblicher Sicherheit, Unantastbarkeit des Besitzes und des Nachbarschaftsrechtes, Schutz des Unterdrückten, Vorgehen gegen ungerechte Übertretung, Hilfeleistung für den Bedürftigen, Verbot von Unrecht und Unheilstiftung, Verbot der Beherbergung von Verbrechern und Unheilstiftern. Der Vertrag öffnete auch das Tor für das Güteerweisen für den, der es wollte - von muslimischer und nichtmuslimischer Seite aus. Er forderte alle Einwohner Medinas auf, sich gegenseitig beim rechtschaffenen Handeln und nicht bei der Sünde zu unterstützen, und daß sie wie ein Mann gegen denjenigen stehen, der Medina angreift oder deren Bewohner angreift.

Und wenn die Juden nicht ihre Verträge gebrochen hätten, und ein Stamm von ihnen nach dem anderen die Muslime verraten hätte, hätte der Gesandte Allahs (Allahs Segen und Heil auf ihm) sie nicht exemplarisch bestraft und aus Medina ausgewiesen.

 

Das erste Prinzip also, welches die Beziehungen zwischen Muslimen und Nichtmuslimen bestimmt, ist das gegenseitige Kennenlernen, Zusammenleben und das gegenseitige Unterstützen beim rechtschaffenen, ehrlichen und korrekten Handeln. Der Krieg jedoch ist eine Ausnahme, welcher unter bestimmten Umständen stattfindet. Sobald diese Umstände nicht mehr gegeben sind, kehren die Menschen zu diesem friedlichen Zusammenleben zurück.

 

 

Zweites Prinzip: Die Einladung (arab. Da‘wa) zu Allah dem Erhabenen

Das wichtigste Grundsatz bei der Beziehung zwischen dem Muslim und dem Kafir ist die Einladung (arab. Da‘wa) zu Allah dem Erhabenen. Dies, weil Allah der Erhabene Muhammad (Allahs Segen und Heil auf ihm) als abschließenden Propheten und Gesandten zu der gesamten Menschheit gesandt hat. Allah der Erhabene hat gesagt:

 

 

"...Sprich: O ihr Menschen, ich bin der Gesandte Allahs zu euch allen..."[7:158]

 

"...Und Wir haben dich nur als Bringer froher Botschaft und Warner für alle Menschen entsandt..."[34:28]

 

Damit die Botschaft Allahs zu Lebzeiten Muhammads und nach seinem Tode auch wirklich zu allen Menschen gelangt, hat Allah dessen Gemeinde diese Pflicht auferlegt.

 

Allah der Erhabene hat gesagt: "...Und aus euch soll eine Gemeinde werden, die zum Guten einlädt und das gebietet, was Rechtens ist, und das Unrecht verbietet; und diese sind die Erfolgreichen..."[3:104]

 

Allah der Erhabene hat Muhammad als Zeuge über seine Gemeinde - die Muslime -, und seine Gemeinde als Zeuge über die Menschen eingesetzt. Allah hat gesagt:

 

 

"Und so machten Wir euch zu einer Gemeinde von redlicher Gesinnung, auf daß ihr Zeugen seiet über die Menschen und auf daß der Gesandte Zeuge sei über euch..."[2:143]

 

"...daß der Gesandte Zeuge sei über euch, und auf daß ihr Zeugen seiet über die Menschen..."[22:78]

 

Und Er betrachtet die Einladung zu Allah als vorzüglichste Tat des Muslim:

 

 

"..Und wer ist besser in der Rede als der, der zu Allah ruft, Gutes tut und sagt: "Ich bin einer der Gottergebenen (wörtl. Muslime)."?.."[43:33]

 

Einmal sagte der Gesandte Allahs (Allahs Segen und Heil auf ihm) zu Ali (Allah möge mit ihm zufrieden sein), als er ihm am Tag von Chaibar die Fahne in die Hand gab, und ihn Ali gefragt hatte: "O Gesandter Allahs, soll ich sie bekämpfen bis sie so wie wir sind?":

 

"Geh zu ihnen bis du auf ihr Gebiet angekommen bist. Dann lade sie zu Islam ein und teile ihnen mit, was sie für Pflichten im Islam gegenüber Allah haben, denn bei Allah, wenn Allah durch dich nur einen einzigen Mann rechtleitet, dann ist das besser für dich als wenn du rote Kamele hättest." "

(Dies berichtete Muslim)

 

 

Aus Platzgründen wird an dieser Stelle kein Kommentar gemacht bezüglich der Anweisung des Propheten (Allahs Segen und Heil auf ihm) an Ali (Allah möge mit ihm zufrieden sein), in der er ihn auffordert, zum Islam einzuladen, wo er ihn doch eigentlich zum Kampf schickt und der Weisheit des Propheten, auf die Belohnung hinzuweisen, die ihn erwartet, wenn Allah nur einen Mann durch ihn rechtleitet - jedoch soll an dieser Stelle auf die große Belohnung hingewiesen werden, die einen erwartet, wenn man im Kampf seine Prüfung besteht oder als Märtyrer getötet wird. Es ist jedoch die Weisheit des Gesandten Allahs (Allahs Segen und Heil auf ihm), welche am besten den Grundsatz in den Beziehungen zwischen dem Muslim und dem Kafir widerspiegelt - nämlich die Einladung zum Islam und nicht den Kampf.

 

 

 

 

 

Drittes Prinzip: Der islamische Staat soll auch zu Allah einladen

Der dritte Grundsatz behandelt den eigentlichen Grundsatz in den Beziehungen zwischen dem islamischen Staat und den übrigen nichtmuslimischen Menschen - seien es nichtmuslimische Staaten oder nichtmuslimische Einzelpersonen. Der Grundsatz ist auch hier die Einladung zu Allah dem Erhabenen. Dies ist also die erste und grundsätzliche außenpolitische Pflicht des islamischen Staates. Diese Pflicht fällt unter die allgemeine, umfassende Bedeutung des Dschihad, der Anstrengung auf dem Wege Allahs, wobei der bewaffnete Kampf nur einen Teil davon darstellt, und auf welchen nur dann zugeriffen wird, wenn entsprechende Bedingungen und Umstände gegeben sind. Der Dschihad im weiteren, umfassenden Sinne ist jedoch unter allen Umständen eine Plicht, der nachgekommen werden muß.

 

Beim Gesandte Allahs (Allahs Segen und Heil auf ihm) war die Einladung zu Allah die eigentliche und wichtigste Sache in seinen Beziehungen zu den anderen - von dem Zeitpunkt an, als er in Medina den islamischen Staat einrichtete bis hin zu seinem Tod - gleich, ob jene auf der arabischen Halbinsel waren oder außerhalb...

 

  • Er schrieb das berühmte Abkommen mit den Juden von Medina, welches das Miteinanderleben Zusammenleben und die gegenseitige Hilfeleistung zwischen den Muslimen und den Juden erstmals festlegte. Und hätten die Juden diesen Vertrag nicht gebrochen, wären sie nicht exemplarisch bestraft und vetrieben worden.

 

 

  • Allah erlaubte dem Gesandten Allahs (Allahs Segen und Heil auf ihm), die Quraisch zu bekämpfen, welche angefangen haben, den Muslimen den Krieg zu erklären; als sich jedoch eine Gelegenheit für einen Frieden zwischen den Muslimen und den Quraisch mit Freiheit zur Einladung zu Allah (Dawa) darbot, beeilte sich der Gesandte Allahs (Allahs Segen und Heil auf ihm) die Bedingungen der Quraisch anzunehmen. Dies war das bekannte Friedensabkommen von Hudaibiyya.

 

 

  • Der Gesandte Allahs (Allahs Segen und Heil auf ihm) schickte überall auf die arabische Halbinsel Leute, die zum Islam einluden (Da'is). Dabei kam es zu dem Vorfall vom Tag von ar-Radschi‘, als der Gesandte sechs seiner Gefährten mit der Delegation von ´Adl und al-Qara schickte, welche sie verriet, drei von ihnen tötete, und die übrigen drei den Quraisch auslieferte, welche sie töteten. Ein anderer Vorfall war der vom Brunnen von Ma'una, bei dem der Gesandte Allahs (Allahs Segen und Heil auf ihm) siebzig seiner Gefährten, welche Quranrezitatoren waren, zu den Leuten von Nadschd in der Nachbarschaft von ´Amir bin Malek schickte. ´Amir bin at-Tufail griff sie mit den Stämmen von Bani Salim an, welche sie töteten.

 

  • Nach dem Abkommen von Hudaibiyya begann der Gesandte Allahs (Allahs Segen und Heil auf ihm) damit, Briefe und Gesandte nach außerhalb von arabischen Halbinsel zu schicken. Er schrieb an Heraklios, an Kisra, dem Herrscher der Perser, sowie weitere Briefe an Muqauqes in Ägypten, dem Negus in Äthiopien, an Mundhir bin Sawi in Bahrain, an den König von Jamama, Hauza bin Ali, an Harith bin abi Schummar al-Ghassani an der Grenze von asch-Scham. All diese Briefe waren Einladungen an diese Leute, daß sie die Religion Allahs, den Islam, annehmen sollen. Wenn sie es nicht tun sollten, dann würde auf ihnen ihre eigene Sünde und die Sünde derjenigen Menschen, die ihnen Folge leisten, lasten.

 

  • Die Kriege und die Schlachten jedoch, welche sich zwischen den Muslimen und ihren Feinden von den Juden oder Götzendienern ereigneten, hatten alle das Ziel, die Freiheit der Botschaft des Islam zu schützen und zu verteidigen, so daß man ohne Behinderungen zum Islam einladen konnte, auf daß sich die Menschen frei entscheiden konnten, ob sie die Botschaft annehmen oder ablehnen wollten, wie später näher erläutert wird.

 

Die eigentliche Aufgabe des islamischen Staates in seinen Beziehungen mit den anderen nichtmuslimischen Menschen ist also die Einladung zu der Religion Allahs und daß er diejenigen, die es wünschen, von der Versklavung gegenüber anderen Geschöpfe befreit und zur Anbetung und dem Dienst an Allah dem Einzigen, Allgewaltigen führt, wie es Rabi‘ bin ´Amir gegenüber Rustum, dem persischen Befehlshaber, ausdrückte.

 

 

Viertes Prinzip: Die Einladung zu Allah mit dem schönen Wort, nicht mit Gewalt und Grobheit

 

Ein Grundprinzip bei der Einladung zu Allah (Dawa) ist, daß diese mit Weisheit und mit schöner Ermahnung erfolgt. Allah der Erhabene hat gesagt: "Rufe zum Weg deines Herrn mit Weisheit und schöner Ermahnung auf, und diskutiere mit ihnen auf die beste Art. Wahrlich, dein Herr weiß am besten, wer von Seinem Wege abgeirrt ist; und Er kennt jene am besten, die rechtgeleitet sind. [16:125]"

 

Und die erste weise Handlung ist, mit schönem Wort zu sprechen: "Siehst du nicht, wie Allah das Gleichnis eines guten Wortes prägt? (Es ist) wie ein guter Baum, dessen Wurzeln fest sind und dessen Zweige bis zum Himmel (ragen). Er bringt seine Frucht zu jeder Zeit mit der Erlaubnis seines Herrn hervor. Und Allah prägt Gleichnisse für die Menschen, auf daß sie nachdenken mögen." [14:24-25]

 

Und zur Weisheit gehört es auch, daß man auf schöne Art und Weise diskutiert: "Und führt keine Streitgespräche mit dem Volk der Schrift, es sei denn auf die beste Art und Weise. Ausgenommen davon sind jene, die ungerecht sind. Und sprecht: "Wir glauben an das, was zu uns herabgesandt wurde und was zu euch herabgesandt wurde; und unser Gott und euer Gott ist Einer; und Ihm sind wir ergeben." "[29:46]

 

Und weil das schöne Wort zu den Grundprinzipien der Einladung zu Allah gehört, hat Allah der Erhabene es zu einem Bestandteil des Vertrages zwischen Ihm und dem Volk Israels gemacht: "Und als Wir mit den Kindern Israels einen Bund schlossen: "Ihr sollt niemanden außer Allah anbeten, euch den Eltern, Verwandten, Waisen und Armen gegenüber wohltätig erweisen, freundlich zu den Menschen sprechen, das Gebet verrichten und die Zakat entrichten", so habt ihr euch danach abgekehrt bis auf wenige unter euch, und ihr wart abgewendet."[2:83]

 

Und weil die Einladung und der Ruf der verschiedenen Propheten immer der gleiche ist und auf den gleichen Prinzipien basiert, hat Allah der Erhabene auch die Muslime zu schöner Rede aufgefordert - und dies nach langen Diskussionen mit den Götzendienern, welche in der Sure Al-Isra‘ (Sure 17) erwähnt werden, und welche Er mit folgenden Worten abschließt: "Und sprich zu Meinen Dienern, sie möchten nur das Beste reden; denn Satan stiftet zwischen ihnen Zwietracht. Wahrlich, Satan ist dem Menschen ein offenkundiger Feind." [17:53]

 

 

Weiterhin hat Allah aufgezeigt, daß die Menschen nicht einer Einladung folgen, wenn derjenige, der sie ausspricht, rauh und hartherzig ist - selbst wenn es eine Einladung zum Islam ist - und von der Folgeleistung dieser Einladung hängt ja das irdische und jenseitige Wohl des Menschen ab...Allah spricht Seinen Gesandten Muhammad (Allahs Segen und Heil auf ihm) mit folgenden Worten an: "...Und durch Barmherzigkeit von Allah warst du (o Muhammad) mild zu ihnen; wärst du aber barsch und harten Herzens gewesen, so wären sie bestimmt von dir weggelaufen. Darum vergib ihnen und bitte für sie um Verzeihung und ziehe sie zur Beratung heran; und wenn du entschlossen bist, dann vertrau auf Allah; denn wahrlich, Allah liebt diejenigen, die auf Ihn vertrauen..."[3:159]

 

Wenn es also so ist, daß die Muslime selbst von ihrem Propheten fortgelaufen wären, wenn er rauh und hartherzig gewesen wäre - und er (Allahs Segen und Heil auf ihm) ist weit entfernt davon - wie wollen wir also erwarten, daß die Nichtmuslime unserer Einladung folgen, wenn wir unfreundlich, rauh oder hart und trocken auf sie zugehen würden?

 

Die Einladung zu Allah dem Erhabenen kann also nur durch Weisheit, dem schönen Wort und einem schönen Charakter in die Herzen und in die Köpfe der Menschen gelangen. Und wenn wir in die Geschichte zurückblicken, so finden wir, daß einer der wichtigsten Faktoren, durch den die Menschen zur Annahme des Islam veranlaßt wurden, das war, was sie an schönem Charakter in der Lebensweise der Muslime wahrnahmen. Es ist sogar so, daß viele Völker den Islam aufgrund von muslimischen Kaufleuten angenommen haben - noch bevor zu ihnen die Da'is und die Gelehrten kamen.

 

 

Kapitel 1: In Zeiten des Friedens sind die besten Umstände gegeben, daß sich die Botschaft des Islam ausbreitet

 

 

 

1- Wenn der eigentliche, wichtigste Grundsatz bei den Beziehungen zwischen Muslimen und Nichtmuslimen die Einladung zu Allah dem Erhabenen ist, dann sind in Zeiten des Friedens ohne Zweifel die besten Umstände gegeben, daß die Einladung erfolgreich ist und sich ausbreitet...Dies aus dem Grund, weil in Zeiten des Friedens die Menschen ein offenes Ohr haben und keine negative Emotionalitäten vorhanden sind. Wenn man als Muslim in diesen Zeiten mit einem schönen Wort zu Allah einladen will, wird er die Menschen vorfinden, daß sie bereit sind zuzuhören - er wird sogar vorfinden, daß diejenigen, die noch ein gesundes natürliches Wesen besitzen, sich nach dieser Einladung sehnen. Im Schatten des Krieges jedoch sind die Herzen verschlossen und der Verstand ist außer Kraft gesetzt und bei den Menschen ist lediglich der Selbstverteidigungsinstinkt aktiv. Unter solchen Umständen kann die Da‘wa, die Einladung zu Allah, nicht in die Köpfe und Herzen gelangen - wie stark und einleuchtend auch die Argumente und wie schön auch die Rede seien mögen.

Dies wird durch die Biographie des Propheten (Allahs Segen und Heil auf ihm) bestätigt. Nehmen wir das hervorstechende Beispiel - den Frieden von Hudaibiyya zwischen dem Propheten (Allahs Segen und Heil auf ihm) und den Götzendienern im Jahre 6 n.H.. Der Gesandte Allahs (Allahs Segen und Heil auf ihm) hatte sich auf den Weg nach Mekka begeben, um die Umra (d.h die kleine Pilgerfahrt) zu verrichten und hatte die Muslime dazu eingeladen, mit ihm mitzukommen. Daraufhin haben sich ca. 1400 Muslime mit ihm auf den Weg begeben. Dies waren die meisten der Muslime und nur die Heuchler und möglicherweise einige wenige der aufrichtigen Muslime blieben zurück. Das heißt, daß die Anzahl derjenigen, die innerhalb von 19 Jahren - 13 Jahre in Mekka vor der Hidschra plus der 6 Jahre darauffolgend in Medina - der Einladung des Propheten (Allahs Segen und Heil auf ihm) gefolgt waren und den Islam angenommen hatten, die Zahl von 1500 nicht überschritten. Als dann jedoch der Friedensvertrag zwischen den Muslimen und den Götzendienern von Quraisch geschlossen wurde und ein allgemeiner Frieden sich zwischen den beiden Gruppen ausbreitete, war den Muslimen die Chance gegeben wurde, ihre Einladung zum Islam auszubreiten und die Araber hatten die Möglichkeit, den Islam kennenzulernen. Nun nahmen viele von denen den Islam an, die vorher davon abgehalten wurden, und es kamen nach Medina Leute, die vorher nicht die Möglichkeit dazu hatten. Als schließlich die Quraisch den Vertrag brachen und die Bani Bakr ihre Verbündeten gegen die Chuza'a, welche Verbündetete der Muslime waren, unterstützte, zog der Prophet (Allahs Segen und Heil auf ihm) mit zehntausend Muslimen in Richtung Mekka, um die Stadt zu erobern. Dies geschah eineinhalb Jahre nach dem Vertrag von Hudaibiyya. Das heißt also, daß in den anderthalb Jahren nach dem Friedensvertrag - in der Zeit des Friedens - ein Vielfaches von Menschen den Islam angenommen haben im Vergleich zu denen, die ihn innerhalb den 19 Jahren des Streites und der Kriege angenommen haben. Mithilfe einer einfachen Rechnung können wir feststellen, daß die Anzahl der Menschen, die den Islam vor dem Vertrag von Hudaibiyya angenommen haben, im Verhältnis zu der Anzahl der Menschen, die den Islam nach dem Abschluß des Vertrages, in der Zeit des Friedens, angenommen haben, wie eins zu sechzig steht. Dies, wenn wir einen Zeitabschnitt betrachten. Die Geschichte bestätigt also, daß im Frieden die besten Bedingungen für den Erfolg und die Ausbreitung der Einladung zum Islam gegeben sind - und daß im Krieg die schlechtesten Bedingungen dafür gegeben sind.

 

2- Wenn wir die Auseinandersetzungen, die im Laufe der Geschichte zwischen den Muslimen und den Kafirun stattgefunden haben, in einem schnellen Überblick an uns vorbeiziehen lassen, können wir zwei wichtige Erscheinungen festhalten:

 

Die erste: Immer, wenn sich die Götzendiener in der Position der Stärke befanden, erklärten sie den Muslimen den Krieg, der das Ziel hatte, die Menschen davon abzuhalten, den Islam anzunehmen und um diejenigen, die den Islam angenommen hatten, dazu zu zwingen, den Islam wieder zu verlassen bzw. um in dieser Richtung ein Druck auf die Muslime auszuüben.

 

Die zweite: Immer, wenn sich die Muslime in der Position der Stärke befanden, erklärten sie den ungerechten regierenden Systemen den Krieg - nicht dem unterdrückten Volk. Das Ziel, welches die Muslime bei diesen Kriegen verfolgten, war, diesen Völkern die freie Wahl zu ermöglichen, ob sie den Islam annehmen wollten oder nicht.

 

Wir wollen mit dem Studium der ersten Erscheinung beginnen - die Diskussion der zweiten Erscheinung erfolgt in folgenden Abschnitten.

 

In Mekka unternahmen die Quraisch in der Zeit vor der Hidschra (Auswanderung der Muslime nach Medina) alles Mögliche, um den Muslimen auf verschiedenste Weise Schaden zuzufügen, zu quälen und zu töten, um die Menschen davon abzuhalten, die Religion Allahs, den Islam, anzunehmen. Die Muslime wünschten eine geistige Auseinandersetzung. Die Götzendiener aber, die ihre Schwäche auf diesem Gebiet kannten, gingen über zu einer körperlichen Auseinandersetzung...Die Muslime jedoch wurden aufgefordert, die Agression gegen sie nicht mit gleichem zu vergelten. Allah sagte: "...haltet eure Hände zurück und verrichtet das Gebet und gebt die Zakat..."[4:77] Und sie wurden angewiesen, geduldig und nachsichtig zu sein...Dies ließ jedoch die Götzendiener nur noch mehr darauf beharren, alle möglichen Arten von Gewaltausübung einzusetzen, um die Menschen davon abzuhalten, das Wort der Wahrheit zu hören und den Islam anzunehmen. Es gab also eine körperliche Auseinandersetzung und eine Kriegserklärung nur von einer der beiden Seiten aus.

 

In Medina - nach der Hidschra des Propheten (Allahs Segen und Heil auf ihm) - wurde den Muslimen die Erlaubnis zum Kampf gegeben. Der Prophet (Allahs Segen und Heil auf ihm) war aus Mekka ausgewandert, nachdem die Quraisch ihm den Krieg erklärt und beschlossen hatten, ihn zu töten, und nachdem seine Gefährten zunächst nach Abessinien und später nach Medina ausgewandert waren, um vor den Agressionen der Quraisch zu flüchten...Es war nötig, daß die Erlaubnis zum Kampf gegeben wurde, da das Götzendienertum, das die Muslime aus Mekka vertrieben hat, so daß sie nach Medina auswanderten, sie überall verfolgen würde - und es war nötig, daß die neu entstandene islamische Gemeinschaft sich selbst verteidigt. Aus diesem Grund wurde am Ende des ersten Jahres nach der Hidschra die Erlaubnis zum Kampf geoffenbart.

 

Allah der Erhabene hat gesagt: "Die Erlaubnis, sich zu verteidigen, ist denen gegeben, die bekämpft werden, weil ihnen Unrecht geschah - und Gott hat wahrlich die Macht, ihnen zu helfen - , jenen, die schuldlos aus ihren Häusern vertrieben wurden, nur weil sie sagten: "Unser Herr ist Gott." Und wenn Gott nicht die einen Menschen durch die anderen zurückgehalten hätte, so wären gewiß Klausen, Kirchen, Synagogen und Moscheen, in denen der Name Gottes oft genannt wird, niedergerissen worden. Und Gott wird sicher dem beistehen, der Ihm beisteht. Gott ist wahrlich Allmächtig, Erhaben."[22:39-40]

Die Erlaubnis zum Kampf kam also, nachdem die Muslime 14 Jahre lang die Agressionen geduldig ertragen haben, ohne sich entsprechend zu wehren. Alle Kriege, die sich später zwischen den Muslimen und den Quraisch ereignet haben, waren also eine Folge der Kriegserklärung von Seiten der Quraisch.

Und obwohl die Muslime in diesen Krieg von den Quraisch nur hineingezogen wurden, beeilte sich der Prophet (Allahs Segen und Heil auf ihm), als sich die Gelegenheit für einen Frieden am Tag von Hudaibiyya bot, einzuwilligen. Daraus wurde dann der Vertrag von Hudaibiyya.

 

Bei jedem Friedensvertrag sind normalerweise die Gewinne für beide Parteien ausgeglichen - es sei denn, daß sich ein Friedensvertrag nach einer Niederlage der einen Seite ereignet. In diesem Fall zwingt der Sieger dem Verlierer seine Bedingungen auf, und der Verlierer bekommt nichts. Am Tag von Hudaibiyya waren die Muslime nicht die Verlierer, und trotzdem war kein einziger Punkt des Friedensabkommens zu ihrem Vorteil. Hier sollen die Punkte erwähnt werden:

 

a) Waffenstillstand von zehnjähriger Dauer. In dieser Zeit sollen die Menschen in Sicherheit leben. Es ist offensichtlich, daß dieser Punkt dem Vorteil beider Seiten dient, vorallem, nachdem die Quraisch in der Grabenschlacht nicht die Muslime besiegen konnten, obwohl sie alles, was sie an Arabern und Juden gegen die Muslime vereinigen konnten, auch tatsächlich gegen die Muslime zum Kampf sammelten.

 

b) Wer von den Quraisch ohne Einwilligung seines Vormundes (arab. waliyy) zu Muhammad ging, muß zu ihnen zurückgeschickt werden. Wer jedoch von Muhammads Seite aus zu den Quraisch kam, muß von ihnen nicht zurückgeschickt werden. Dieser Punkt ist mit seinen zwei Unterpunkten zum Vorteil der Quraisch.

 

c) Jeder, wer Verbündeter von Muhammad werden wollte, konnte es werden, und jeder, der Verbündeter von den Quraisch werden wollte, konnte es werden. Von diesem Punkt haben beide Seiten einen Vorteil.

 

d) In diesem Jahr muß der Gesandte zurückkehren, ohne die Umra zu verrichten. Im darauffolgenden Jahr kommt er zurück, um die Umra zu verrichten, betritt Mekka mit den Waffen, die normalerweise ein Reisender mit sich trägt und bleibt in Mekka drei Tage. Dieser Punkt ist ein Vorteil für die Quraisch. Und war auch ihre Hauptforderung.

 

Zusammengefaßt gesagt, besteht also der Friedensvertrag aus zwei Punkten, die für die Quraisch ein Vorteil darstellen, und zwei Punkten, die einen Vorteil für beide Seiten bedeuten. Es gibt keinen Punkt, welcher nur einen Vorteil für die Muslime darstellt. Obwohl die Gefährten des Propheten nahezu einstimmig dagegen waren, stimmte der Gesandte Allahs (Allahs Segen und Heil auf ihm) dem Vertrag zu - durch eine Offenbarung von Allah - und wies die Muslime an, die Opfertiere, die sie dabei hatten zu schlachten. Sie zögerten jedoch damit, weil sie mit dem Vertrag nicht einverstanden waren. Schließlich trat der Prophet (Allahs Segen und Heil auf ihm) bei seiner Frau Umm Salama ein und sagte: "Die Muslime gehen am heutigen Tag zugrunde." Da gab sie ihm zu verstehen, daß er doch herausgehen sollte, selbst schlachten und sich den Kopf scheren sollte, ohne dabei mit jemandem von ihnen zu sprechen. Als sie ihn dann dabei sahen, wie er dies tat, standen sie auf, schlachten und scherten sich gegenseitig die Haare, wie es in den Sahih-Hadithwerken (Buchari und Muslim) berichtet wird.

 

Der einzige Vorteil, den die Muslime aus diesem Frieden zogen, war, daß er einen Frieden und einen Waffenstillstand zwischen ihnen und den Quraisch brachte. Um dies zu erreichen, traten sie von ihrem Recht zurück, die Umra verrichten - dieses Recht, welches ein anerkanntes Recht für alle Araber war. Sie erklärten sich damit einverstanden, nach Medina zurückzukehren und im folgenden Jahren zur Verrichtung der Umra wiederzukommen. Hierin liegt eine Herausforderung und eine Erniedrigung ihrer Ehre. Sie traten auch von ihrem Recht zurück, diejenigen zu empfangen und zu beschützen, die von den Quraisch zu ihnen als Muslime kamen - und duldeten es, daß sie zu den Quraisch zurückgeschickt würden und Folter und Unterdrückung ertragen müssen...Sie traten auch von ihrem Recht zurück, denjenigen, welcher vom Islam abtrünnig wird und sich den Quraisch anschließt, zurückzufordern, um ihn zu bestrafen. All diese Rechte traten sie ab, damit sich der Frieden ausbreitet, und weil den Menschen im Zustand des Friedens die Gelegenheit gegeben wird, das Wort der Wahrheit zu hören.

 

Auf dem Rückweg nach Medina, während sich die Muslime immer noch in ihrer Verlegenheit und Ratlosigkeit bezüglich ihrer Angelegenheit befanden, wurde die Sure Al-Fath (Der Sieg (Sure 48)) herabgesandt. Der Gesandte Allahs (Allahs Segen und Heil auf ihm) rezitierte ihnen die Sure und sie gewannen durch sie Vertrauen und Gewißheit in die Entscheidung Allahs.

 

Bara' bin ´Azib sagte: "Ihr seht die Eroberung Mekkas als den Sieg an - und die Eroberung Mekkas war in der Tat ein Sieg; wir aber sehen als den Sieg den Treueeid am Tag von Hudaibiyya an." (Dies berichteten Buchari und Muslim)

 

Der Gesandte Allahs (Allahs Segen und Heil auf ihm) ließ Umar herbeiholen und rezitierte ihm das, was herabgesandt worden war, worauf Umar fragte: "O Gesandter Allahs, ist dies ein Sieg?" Er sagte: "Ja". (Dies berichtete Muslim)

 

Das Wort Sieg wird an vielen Stellen des Quran verwendet. Keiner der Siege - außer dem Friedensvertrag von Hudaibiyya - wird als "offenkundiger Sieg" bezeichnet. Allah hat sagt:

 

"...Wahrlich, Wir haben dir einen offenkundigen Sieg beschieden..."[48:1]

 

Und es war in der Tat ein offenkundiger Sieg, da er die Herzen und den Verstand der Menschen für den Islam geöffnet hat. Dadurch legte er die Grundlage für die Eroberung Mekkas und führte von da an zur Ausbreitung des Islam auf der gesamten arabischen Halbinsel.

 

Nach Hudaibiyya brachen die Quraisch das Friedensabkommen, woraufhin sie der Gesandte Allahs (Allahs Segen und Heil auf ihm) mit der Eroberung und Einnahme Mekkas bestrafte. Und so fiel der Ort der Führerschaft auf der arabischen Halbinsel den Muslimen in die Hände und es wurde ihnen nun zur Pflicht, die gesamte arabische Halbinsel zu befreien und zu vereinigen, damit sie ein Ausgangsort für die Einladung zum Islam in der ganzen Welt würde. Dadurch wurden die Regeln und Bedingungen der islamischen Kriegsführung um etwas weiteres bereichert, worauf wir später eingehen werden.

 

Kapitel 2: Die quranischen Verse, die über den Kampf sprechen, und deren Gültigkeitsabfolge entsprechend der fortgeschrittenen Umstände

 

 

 

Die Verse des Quran, die vom Kampf handeln, sind teilweise sehr verschiedenartig. So wird einmal der Kampf in einem Vers verboten, in einem anderen erlaubt, in einem weiteren wird zum Kampf aufgefordert gegen diejenigen, die die Muslime bekämpfen und sich gegen sie Übertretungen zuschulden kommen lassen. An einer anderen Stelle wird zum Kampf gegen die Kafirun aufgefordert, bis keine fitna mehr vorhanden ist, und jeder sich frei entscheiden kann, ob er Muslim werden möchte oder nicht. Es gab einige Leute, die dachten, daß sich diese Verse gegenseitig widersprechen und diese Leute versuchten, sie miteinander in Einklang zu bringen. So gab es die Meinung, daß eine Art von Versen die eigentliche Regel der Scharia bezüglich des Kampfes sei, und man versuchte die anderen Verse so auszulegen, daß sie mit dieser vermeintlichen Basisregel in Einklang zu bringen sind. Eine andere Ansicht war die, daß die Verse, die zuletzt herabgesandt wurden, die vorherigen abrogiert, d.h. außer Kraft gesetzt haben; usw.

 

Im folgenden werden wir versuchen, die Verse, die mit dem Kampf zu tun haben, nach den Umständen, als deren Offenbarung erfolgte, zu untersuchen. So werden uns die verschiedenen Stadien der Kampfführung anhand der Situation, in der die Muslime lebten, klar.

 

Ibn al-Qayyim sagt in seinem Buch "Zad al-Mi'ad":

 

"Der Gesandte hielt sich in Mekka ein paar Jahre mehr als zehn Jahre in Mekka als Warner auf, ohne zu kämpfen. Dann wurde ihm die Hidschra (Auswanderung) erlaubt, dann der Kampf, dann befahl Allah ihm, diejenigen zu bekämpfen, die ihn bekämpft haben und schließlich befahl Er ihm, die Götzendiener solange zu bekämpfen, bis keine fitna mehr vorhanden ist und sich jeder frei für oder gegen Allah entscheiden kann."

 

Im folgenden wollen wir die diese verschiedenen Stadien bzw. Phasen erläutern und die jeweils entsprechenden Verse aufzeigen:

 

Die erste Phase: Überbringung der Einladung des Islam ohne Kampf

 

Dieses Stadium fing am Beginn der Gesandtschaft Muhammads (Allahs Segen und Heil auf ihm) an und endete mit der Hidschra des Propheten (Allahs Segen und Heil auf ihm) nach Medina. Diese Phase wird die mekkanische Phase genannt und dauerte dreizehn Jahre an. Die Aufgabe des Gesandten (Allahs Segen und Heil auf ihm) und der Muslime bestand lediglich darin, die Botschaft des Islam auszurichten, während die Götzendiener Mekkas ihnen großen Schaden zufügten. Die Prophetengefährten (Allah möge mit ihnen zufrieden sein) kamen geschlagen oder bekümmert zum Propheten, um sich bei ihm zu beklagen, und er sagte ihnen: "Haltet aus, denn mir ist nicht befohlen worden, sie zu bekämpfen."

 

Allah der Erhabene wies im Quran auf diese Phase im folgenden Vers hin:

 

"...haltet eure Hände zurück und verrichtet das Gebet und gebt die Zakat..."[4:77]

Die Muslime wurden in dieser Phase zur Standhaftigkeit angehalten:

 

"...und harre in Geduld aus; deine Geduld aber kommt nur von Allah. Und sei weder traurig über sie, noch beunruhigt wegen ihrer Ränke."[16:127]

 

"Und es sind jene, die im Verlangen nach dem Wohlgefallen ihres Herrn geduldig bleiben und das Gebet verrichten und von dem, was Wir ihnen gegeben haben, im Verborgenen und öffentlich spenden und das Böse durch das Gute abwehren - diese sind es, denen der Lohn der Wohnstatt zuteil wird "[13:22]

 

In der Nacht von Aqaba, als die Ansar (wörtl.: Helfer; die aus Medina stammenden Prophetengefährten, die ihre muslimischen Geschwister aus Mekka bei deren Auswanderung nach Medina aufnahmen) dem Gesandten Allahs den großen Treueeid bzw. den Kriegstreueeid leisteten, und sagten: "O Gesandter Allahs, bei Dem, Der dich mit der Wahrheit entsandt hat (d.h. bei Allah), wenn du willst, dann wenden wir uns morgen gegen die Leute von Mina mit unseren Schwertern", antwortete ihnen der Gesandte Allahs (Allahs Segen und Heil auf ihm): "Wir sind nicht zum kämpfen beauftragt."

 

In dieser Phase war es also den Muslimen untersagt zu kämpfen, auch nicht zur Selbstverteidigung.

 

 

Die zweite Phase: Die Erlaubnis, gegen denjenigen zu kämpfen, der einen bekämpft hat

 

Nachdem die Hidschra des Gesandten Allahs (Allahs Segen und Heil auf ihm) vollzogen war, dauerte es nur einige Monate, bis er die inneren Angelegenheiten der muslimischen Gemeinde geregelt hatte: Er baute die Moschee, verbrüderte die Muhadschirun (Auswanderer aus Mekka) mit den Ansar (wörtl.: Helfer; die aus Medina stammenden Prophetengefährten, die ihre Glaubensbrüder aus Mekka bei deren Auswanderung nach Medina aufnahmen) und schrieb das Abkommen über das Zusammenleben mit den Juden. Daraufhin kam die Erlaubnis für die Muslime, gegen diejenigen zu kämpfen, die sie bekämpft und aus ihrem Land vertrieben haben.

 

Allah der Erhabene hat gesagt: "Wahrlich, Allah verteidigt die Mu‘minun. Gewiß, Allah liebt keinen Treulosen, Undankbaren. Die Erlaubnis (, sich zu verteidigen,) ist denen gegeben, die bekämpft werden, weil ihnen Unrecht geschah - und Allah hat wahrlich die Macht, ihnen zu helfen - ,jenen, die schuldlos aus ihren Häusern vertrieben wurden, nur weil sie sagten: "Unser Herr ist Allah." Und wenn Allah nicht die einen Menschen durch die anderen zurückgehalten hätte, so wären gewiß Klausen, Kirchen, Synagogen und Moscheen, in denen der Name Allahs oft genannt wird, niedergerissen worden. Und Allah wird sicher dem beistehen, der Ihm beisteht. Allah ist wahrlich Allmächtig, Erhaben. Jenen, die, wenn Wir ihnen auf Erden die Oberhand gegeben haben, das Gebet verrichten und die Zakat entrichten und Gutes gebieten und Böses verbieten (, steht Allah bei). Und Allah bestimmt den Ausgang aller Dinge." [22:38-41]

 

Dies sind die ersten Verse, in denen Allah den Kampf für die Muslime zu einem Teil der Scharia macht. Es stimmt nicht, daß die Erlaubnis zum Kampf bereits in Mekka gegeben wurde, diese Verse zeigen vielmehr deutlich, daß den Muslimen die Erlaubnis zum Kampf erst nach ihrer Vertreibung aus Mekka, d.h. nach der Hidschra, gegeben wurde. Diese Verse wurden gegen Ende des ersten Jahres nach der Hidschra herabgesandt. Und so war es im Ramadan, als der Gesandte Allahs (Allahs Segen und Heil auf ihm) die erste Sariyya ensandte. Es war eine Gruppe von 30 Muhadschirun unter der Führung seines Onkels Hamza (Allah möge mit ihm zufrieden sein), die die Aufgabe hatte, sich einer Karawane der Quraisch entgegezustellen, welche aus Asch-Scham kam, und bei welcher sich Abu Dschahl befand. Die beiden Gruppen trafen an der Meeresküste aufeinander, jedoch kam es nicht zum Kampf, da sich Madschdi ibn Amru al-Dschahni, welcher beiden Parteien verbunden war, zwischen die beiden Gruppen stellte. Daraufhin folgten Sariyyas und Ghazuas aufeinander. Es ist also anzunehmen, daß die Erlaubnis zum Kampf kurz bevor diese Sariyya geschickt wurde, d.h. kurz vor dem Ramadan des ersten Jahres nach der Hidschra, erfolgte...Dieses zweite Stadium dauerte etwa ein Jahr an, d.h. bis zum Ramadan des zweiten Jahres n.H., in dem die große Schlacht (Ghazua) von Badr erfolgte. In dieser Phase war es den Muslimen erlaubt, jedoch nicht vorgeschrieben, zu kämpfen. Dies erklärt, warum in den ersten Sariyyas nicht die Ansar teilnahmen, und auch warum der Treueid, den die Ansar am Tag von Aqaba dem Gesandten Allahs (Allahs Segen und Heil auf ihm) leisteten, folgenden Wortlaut hatte: ".., daß sie ihn gegen denjenigen beschützen, vor dem sie auch ihre Frauen und Söhne beschützen", was man wohl so verstehen kann, daß sie nicht mit dem Gesandten Allahs (Allahs Segen und Heil auf ihm) kämpfen müßten, außer wenn er in Medina angegriffen würde.

 

 

Die dritte Phase: Der Befehl zum Kampf gegen denjenigen, der die Muslime bekämpft

 

Nach dem hervorragenden Sieg, den die Muslime in der großen Schlacht von Badr gegen die Mekkaner erlangt haben, erfolgte eine offensichtliche Änderung in der gegenseitigen Stellung der Konfliktparteien auf der arabischen Halbinsel:

 

  • Die Muslime waren nun zu einer militärischen Macht geworden, die stärker als die der Quraisch war.
  • Die aus Mekka vertriebenen Muslime hatten sich inzwischen gut eingelebt, und die Probleme, die sich aus der Immigration einer solch großen Zahl von Menschen ergaben, begannen, sich zu lösen.
  • Es war nun nicht mehr angebracht, daß der Kampf nur erlaubt war, sondern es wurde nötig, gegen diejenigen zu kämpfen, die die Muslime bekämpfen, damit die Feinde nicht hoffen konnten, daß sie gegen die Muslime gekämpfen können, wobei diese sich evetuell nicht verteidigen würden. So fing also die 3. Phase nach dem Ende der großen Schlacht von Badr an und dauerte bis zum Feldzug nach Tabuk im 9. Jahr n.H. an.

 

Im folgenden werden einige Verse aufgeführt, welche zu diesem Stadium gehören:

 

- Allah hat gesagt: "Und kämpft gegen sie, bis es keine fitna mehr gibt und der Din ganz für Allah ist. Und wenn sie ablassen, so sieht Allah sehr wohl, was sie tun. Und wenn sie sich abkehren, so wisset, daß Allah euer Beschützer ist; welch gütiger Beschützer und welch gütiger Helfer ist Er![8:39-40]"

Die Verse, die vor diesem Vers stehen, zeigen, wie die Götzendiener sich verschwörten, um den Gesandten zu töten, wie sie ihr Geld dafür spendeten, um vom Weg Allahs abwendig zu machen und um gegen die Muslime zu kämpfen. Aus diesem Grund befahl Allah, sie solange zu bekämpfen, bis ihrerseits vom Kampf und von ihrer Verschwörung ablassen und zum Frieden geneigt sind. Dann sind die Muslime verpflichtet, mit ihnen Frieden zu schließen: "Und wenn sie jedoch zum Frieden geneigt sind, so sei auch du ihm geneigt und vertraue auf Allah. Wahrlich, Er ist der Allhörende, der Allwissende." [8:61]

 

- Weiterhin hat Allah der Erhabene gesagt: "Zu kämpfen ist euch vorgeschrieben, auch wenn es euch widerwärtig ist. Doch es mag sein, daß euch etwas widerwärtig ist, was gut für euch ist, und es mag sein, daß euch etwas lieb ist, was übel für euch ist. Und Allah weiß es, doch ihr wisset es nicht." [2:216]

 

- Und Er sagte auch: "Und kämpft auf dem Weg Allahs gegen diejenigen, die gegen euch kämpfen, doch übertretet nicht. Wahrlich, Allah liebt nicht diejenigen, die übertreten. Und tötet sie, wo immer ihr auf sie stoßt, und vertreibt sie, von wo sie euch vertrieben haben; denn die fitna ist schlimmer als Töten. Und kämpft nicht gegen sie bei der heiligen Moschee, bis sie dort gegen euch kämpfen. Wenn sie aber gegen euch kämpfen, dann tötet sie. Solcherart ist der Lohn der Kafirun. Wenn sie aber aufhören, so ist Allah Allverzeihend, Barmherzig. Und kämpft gegen sie, bis es keine fitna mehr gibt und der Din für Allah ist. Wenn sie aber aufhören, so soll es keine Gewalttätigkeit geben außer gegen diejenigen, die Unrecht tun..." [2:190-193]

 

Die Regeln für den Kampf in dieser Phase kann man in zwei Regeln zusammenfassen:

1. Die Muslime haben die Pflicht gegen diejenigen zu kämpfen, die sie bekämpfen.

2. Die Muslime haben die Pflicht, Frieden zu schließen, wenn die Feinde einen Frieden wollen.

 

 

Die vierte Phase: Erlaubnis dafür, daß die Muslime ihrerseits den Kampf gegen ihre Feinde beginnen

 

Nach der Schlacht von Tabuk wurden die Verse der Sure Bara'a herabgesandt. In ihr wurden die letzten Verse bezüglich des Kampfes geoffenbart und es wurden die letzten Regeln für die Beziehungen zwischen den Muslimen und den Götzendienern auf der arabischen Halbinsel und den Leuten der Schrift (d.h. Juden und Christen) festgelegt.

Wir wollen diese Regeln im folgenden zusammenfassen:

 

 

Erstens: Die Götzendiener auf der arabischen Halbinsel

 

Nach der Eroberung Mekkas im Jahre 8 n.H. begannen die Götzendiener, in Scharen den Islam anzunehmen, und Gesandtschaften der Stämmen begannen, nach Medina zu kommen, um ihre Annahme des Islam zu verkünden. Jedoch blieben einige weiterhin Götzendiener und pilgerten zusammen mit den Muslimen in die Heilige Moschee in Mekka. Dort machten diese Götzendiener den Tawaf (rituelle Umschreitung der Kaba) teilweise nackt, wenn sie kein neues Gewand hatten. Sie machten in diesem Fall den Tawaf nackt, damit sie, wie sie meinten, den Tawaf nicht mit einem Gewand vollziehen, in dem sie gegenüber Allah gesündigt hatten. Diese Götzendiener hatten zu den Muslimen nicht alle das selbe Verhältnis: Einige von ihnen hatten mit den Muslimen ein zeitlich befristetes Abkommen, andere hatten mit ihnen ein zeitlich unbefristetes Abkommen und wiederum andere hatten kein Abkommen mit den Muslimen. Der Gesandte Allahs (Allahs Segen und Heil auf ihm) wollte den letzten Schritt machen, um die Heilige Moschee von den Götzendienern ganz zu reinigen und daraufhin die gesamte arabische Halbinsel vom Götzendienst zu reinigen. Er hatte daran gedacht, im Jahre 9 n.H. die Pflicht der Hajj (große Pilgerfahrt) zu vollziehen, nahm jedoch dann Abstand davon, um nicht zusammen mit Götzendienern bei der Hajj sein. Er verschob die Vollziehung der Hajj auf das Jahr 10 n.H. und sandte 9 n.H. anstattdessen Abu Bakr (Allah möge mit ihm zufrieden sein) als Befehlshaber (arab. amir) für die Hajj ein. Daraufhin veranlaßte er, daß Ali ibn abi Talib (Allah möge mit ihm zufrieden sein) Abu Bakr folgte, damit dieser den Menschen den Anfang der Sure Bara'a verlese. Ali tat dies sehr umfassend und verkündete allen Menschen folgendes:

 

1- Verbot für die Götzendiener, die Hajj zu vollziehen. Das Verbot gilt ab dem nächsten Jahr;

 

2- Verbot, nackt die Kaba zu umschreiten;

 

3- Daß nur Muslime das Paradies betreten werden;

 

4- Wer ein Abkommen mit den Muslimen abgeschlossen hatte, so gilt dies bis zur festgesetzten Frist.

 

 

Wer jedoch kein Abkommen mit den Muslimen hatte oder ein Abkommen hatte, dessen nach weniger als vier Monaten auslaufen würde oder ein unbefristetes Abkommen - für all diese wurde eine Frist von vier Monaten gegeben. Nach dem Ablauf dieser vier Monate hatten sie die Wahl zwischen drei Dingen: Entweder den Islam anzunehmen, bekämpft zu werden oder von der arabischen Halbinsel wegzuziehen und auf der Erde umherzuziehen.

 

Wer von ihnen das Umherziehen auf der Erde wählte, dem teilte Allah, der Herr der Welten, mit, daß sie sich nicht Ihm entziehen und nicht vor Ihm fliehen können, und daß Allah die Kafirun demütigen wird.

Wer von ihnen den Islam wählte, das Gebet verrichtete und die Zakat entrichtete, so ist dies gut für ihn selbst. Dieser ist nun dadurch ein Bruder der Muslime geworden.

Wer sich aber weigert, so gibt es für ihn nur den Kampf; und den Muslimen ist es vorgeschrieben, diese Götzendiener zu verfolgen und zu töten, wo immer sie auf sie stoßen, oder sie zu Gefangenen zu nehmen, oder sie in die Enge zu treiben und sie davon abzuhalten, das Heilige Haus Allahs zu betreten. Wer von diesen Götzendienern jedoch eine Sicherheitsgarantie verlangt und Schutz sucht, so haben die Muslime die Pflicht, ihm dies zu gewähren, bis daß er das Wort Allahs vernommen hat. Daraufhin müssen ihn die Muslime an einen sicheren Ort bringen.

Dies ist zusammengefaßt die Bedeutung und Auslegung der folgenden ersten Verse der Sure Bara'a (anderer Name für die Sure At-Tauba; Sure 9):

 

 

"(Dies ist) eine Lossprechung seitens Allahs und Seines Gesandten; (sie ist) an diejenigen Götzendiener (gerichtet), mit denen ihr ein Bündnis abgeschlossen habt. So zieht denn vier Monate lang im Lande umher und wisset, daß ihr euch Allah nicht entzieht und daß Allah die Kafirun demütigen wird. Und (dies ist) eine Ankündigung von Allah und Seinem Gesandten an die Menschen am Tage der großen Pilgerfahrt, daß Allah und Sein Gesandter losgesagt sind von den Götzendienern. Bereut ihr also, so wird das besser für euch sein; kehrt ihr euch jedoch ab, so wisset, daß ihr euch Allah nicht entzieht. Und verheiße den Kafirun schmerzliche Strafe. Davon sind diejenigen Götzendiener ausgenommen, mit denen ihr einen Vertrag eingegangen seid und die es euch an nichts haben fehlen lassen und die keine anderen gegen euch unterstützt haben. Diesen gegenüber haltet den Vertrag bis zum Ablauf der Frist ein. Wahrlich, Allah liebt diejenigen, die (Ihn) fürchten. Und wenn die heiligen Monate abgelaufen sind, dann tötet die Götzendiener, wo immer ihr sie findet, und ergreift sie und belagert sie und lauert ihnen aus jedem Hinterhalt auf. Wenn sie aber bereuen und das Gebet verrichten und die Zakat entrichten, dann gebt ihnen den Weg frei. Wahrlich, Allah ist Allvergebend, Barmherzig ; und wenn einer der Götzendiener bei dir Schutz sucht, dann gewähre ihm Schutz, bis er Allahs Worte vernehmen kann; hierauf lasse ihn den Ort seiner Sicherheit erreichen. Dies (soll so sein), weil sie ein unwissendes Volk sind."[9:1-6]

 

Was die Gesetze für den Kampf in diesem Stadium anbetrifft, so sollen diese im folgenden zusammengefaßt werden:

 

1- Es ist rechtmäßig, daß die laufenden Verträge zwischen den Muslimen und ihren Feinden von Seiten der Muslime aufgelöst werden, sofern diese Verträge unbefristet sind. Wenn diese Verträge jedoch für eine befristete Dauer vereinbart worden sind, so haben die Muslime die unbedingte Pflicht, diese einzuhalten, solange die Feinde der Muslime diese Verträge einhalten. Ein Auflösen der Verträge bedeutet eine Kriegserklärung, welche nach einer Warnung und offenkundigen Erklärung in Kraft tritt - denn die Muslime begehen keinen Verrat.

 

2- Es ist rechtmäßig, daß die Muslime mit dem Kampf beginnen, wenn die Plicht zur Einladung zum Islam dies erforderlich macht. Diese Fragestellung wollen wir in einigen zusammenfassenden Punkten erläutern:

 

- Die Bekämpfung der Götzendiener nach dem Ablauf der vier Monate der Warnfrist umfaßt erstens diejenigen, die ihre Verträge mit den Muslimen und ihre Versprechen gebrochen haben und geplant hatten, den Gesandten zu vertreiben und ihrerseits den Krieg gegen die Muslime begonnen hatten; und zweitens diejenigen, die einen unbefristeten Vertrag mit den Muslimen hatten. Diesen wurde eine Frist von vier Monaten gesetzt.

Gegenüber denjenigen Götzendiener, die einen befristeten Vertrag mit den Muslimen hatten, hatten die Muslime die Pflicht, den Vertrag bis zum Ablauf der Frist zu erfüllen. Nach dem Ablauf der Vertragsdauer wurden diese Götzendiener dann vor die Wahl gestellt, entweder den Islam anzunehmen, bekämpft zu werden, oder auf der Erde umherwandern zu müssen - d.h. es war dann erlaubt, den Kampf gegen diese Götzendiener zu beginnen, ohne daß diese einen Vertrag gebrochen hätten oder mit dem Kampf begonnen hätten.

 

- Vor die Wahl gestellt zu werden zwischen der Annahme des Islam und bekämpft zu werden - und daß also nicht die Entrichtung der Dschizya (Schutzsteuer für Nichtmuslime im islamischen Staat) akzeptiert wird - gilt ausschließlich für die arabischen Götzendiener, welches die Meinung der meisten Quranexegesen und der Allgemeinheit (arab. Dschumhur) der Rechtsgelehrten ist. Die Weisheit, welche hinter dieser Bestimmung steckt, ist, wie es scheint, der Wunsch des Gesandten Allahs (Allahs Segen und Heil auf ihm), die arabische Halbinsel gänzlich von jeglichen Anzeichen der Götzendienerei zu reinigen, damit diese ein Zentrum für die Ausbreitung der Einladung (arab. da‘wa) zum Islam in alle Welt werde. Die Bestimmung, aus der arabischen Halbinsel vertrieben zu werden, gilt jedoch nicht allein für die Götzendiener, sondern gilt auch für die Besitzer der Schrift, d.h. die Juden und Christen. Es war einer der letzen Anweisungen des Gesandten Allahs (Allahs Segen und Heil auf ihm) - als er bereits auf dem Totenbett lag -, daß auf der arabischen Halbinsel nicht zwei Religionen vorhanden sein sollten. Nach einer Überlieferung von Umar bin al-Chattab sagte der Gesandte Allahs (Allahs Segen und Heil auf ihm):

 

"Wahrlich, ich werde die Juden und die Christen von der arabischen Halbinsel ausweisen, bis daß ich nur noch Muslime da lasse." (Dies berichtete Muslim)

 

 

Ein anderer Gesichtspunkt, der unbedingt erwähnt werden muß, ist der Umstand, daß die Byzantiner und die Perser spürten, daß der Islam für sie gefährlich wird, und sie begannen damit, sich auf den Kampf gegen die Muslime vorzubereiten. Der Grund für die Schlacht von Tabuk war der, daß der Gesandte Allahs (Allahs Segen und Heil auf ihm) davon erfuhr, daß die Römer ihre Truppen zusammenzogen, um Medina anzugreifen. Auch die Position der Perser war von Anfang an klar: Kisra, der Herrscher der Perser, hatte den Brief des Gesandten Allahs (Allahs Segen und Heil auf ihm) zerissen und Badhan, seinen Statthalter im Jemen angewiesen, zwei starke Männer auszusenden, die ihm Muhammad herbringen sollten, und er hatte den Brief nicht gutheißend gesagt: "Er schreibt mir auf diese Art und Weise, während er doch mein Sklave ist?!" Wenn die Muslime also einen Krieg bzw. Angriff von Seiten der Byzantiner und der Perser, welche damals die zwei größten Staaten der Welt waren, erwarteten, so war es ihr Recht, vor Feinden innerhalb der arabischen Halbinsel sicher zu sein.

 

- Der Umstand, daß die Einladung zum Islam für die ganze Welt gilt, bürdet den Muslimen eine große Verantwortung auf: Der Muslim hat nicht nur Plicht dann zu kämpfen, um sich selbst und sein Land zu verteidigen, sondern er ist auch verpflichtet zur Verteidigung eines jeden anderen Menschen - egal was für ein Mensch dies ist - zu kämpfen:

Allah hat gesagt: "Und was ist mit euch, daß ihr nicht für Allahs Sache kämpft und für die der Schwachen - Männer, Frauen und Kinder -, die sagen: "Unser Herr, führe uns heraus aus dieser Stadt, deren Bewohner ungerecht sind, und gib uns von Dir einen Beschützer, und gib uns von Dir einen Helfer."? "[4:75]

 

Den Muslimen ist es auferlegt worden, den Menschen die Einladung zu Allah zu überbringen, und so müssen sie alle Hindernisse aus dem Weg räumen, die sich ihnen in den Weg stellen, damit es ihnen möglich ist, die Einladung zu den Menschen zu tragen. Danach sind die Menschen frei, sich zu entscheiden, ob sie diese Einladung annehmen wollen, d.h. Muslime werden wollen, oder Kufr begehen wollen. Wenn diese Hindernisse, die sich vor die Ausbreitung der Einladung zu Allah befinden, ohne Kampf beseitigt werden können, so ist dies besser. Wenn diese aber nur durch Kampf beseitigt werden könnnen, so ist dies rechtmässig, damit die Menschen nicht unter Druck gesetzt werden, und die Möglichkeit bekommen, sich völlig frei zu entscheiden. Allah sagt: "Und bekämpft sie, bis keine Abwegigmachung (arab. fitna) mehr vorhanden ist..."[8:39]

 

3- Es ist rechtmässig, neue Verträge mit den Götzendienern zu schließen, selbst nach Herabsendung dieser Verse.

Der Quran wundert sich über die Götzendiener, die Verträge mit den Muslimen eingehen und dabei beabsichtigen, sie bei der ersten Gelegenheit zu brechen, und er weist die Muslime auf diesen Tatbestand hin, damit sie sich in Acht nehmen:

 

"Wie kann es einen Vertrag geben zwischen den Götzendienern und Allah und Seinem Gesandten - allein die ausgenommen, mit denen ihr bei der heiligen Moschee ein Bündnis eingingt -? Solange diese euch die Treue halten, haltet ihnen die Treue..." [9:7]

Die Tatsache, daß die Götzendiener im allgemeinen nicht ihre Verträge einhalten, bedeutet jedoch nicht, daß es nicht auch Ausnahmen gibt, und so ist es die Pflicht der Muslime, die Verträge einzuhalten, solange die Götzendiener es auch tun...

Auch hat Allah es den Muslimen erlaubt, nachdem die Beendigung der Vertragsdauer mit den Götzendienern verkündet worden ist, trotzdem jedem beliebigen Götzendiener, der bei ihnen Zuflucht sucht, solange eine Sicherheitsgaantie zu geben, bis er das Wort Allahs vernommen hat. Wenn dies geschehen ist, haben die Muslime dann die Plicht, ihn an einen Ort zu bringen, wo er sicher ist. Die sog. Sicherheitsgarantie (arab. Aman) ist ein Vertrag mit einer Einzelperson; ein Vertrag mit einer Gruppe von Götzendienern ist genauso gestattet wie der Vertrag mit einer Einzelperson, wenn darin ein Nutzen für die Einladung zum Islam liegt, wobei sich jedoch die Muslime davor in Acht nehmen sollen, daß die Gefahr besteht, daß die Götzendiener den Vertrag bei der ersten Gelegenheit brechen.

 

4- Der Befehl im folgenden Quranvers: "..., dann tötet die Götzendiener, wo immer ihr sie findet, ..."[9:5] bedeutet eine Erlaubnis (arab. mubah) und nicht eine Pflicht (arab. wudschub):

Es ist in der Wissenschaft des Usul-al-fiqh (Grundlagen der Rechtwissenschaft) bekannt, daß ein Befehl eine Pflicht (arab. wuschub) nach sich zieht - außer wenn eine dazugehörige Textstelle existiert, welche auf etwas anderes als auf die Pflicht zur Ausführung der Tat hinweist. Das Mindeste, was dann aus diesem Befehl folgt, ist, daß die angesprochene Tat erlaubt ist.

Der Befehl hier - die Götzendiener zu töten - bedeutet, daß dies erlaubt (arab. mubah) ist, und nicht etwa, daß man sie Töten muß, und dies aus dem Grund, weil die Fortsetzung des Verses und der darauffolgende Vers zwei dazugehörige Textstellen sind, welche auf dies hinweisen:

 

Die Fortsetzung im Vers lautet (zu besseren Verständnis wurde der oben zitierte Teil noch einmal mitziert): "..,dann tötet die Götzendiener, wo immer ihr sie findet, und ergreift sie und belagert sie und lauert ihnen aus jedem Hinterhalt auf..."[9:5] Dies bedeutet, daß es für den Muslim erlaubt ist, die Götzendiener zu töten oder sie zu Gefangenen zu nehmen - und einen Gefangenen kann man später entweder töten oder mit bzw. ohne Lösegeld freilassen. Es ist aber auch erlaubt, es dabei zu belassen, die Götzendiener zu umzingeln und zu beobachten und davon abzuhalten, die Heilige Moschee zu betreten...Wenn wir es also als Pflicht betrachten würden, die Götzendiener zu töten, dann wäre es nicht erlaubt, sie zu Gefangenen zu nehmen. Es wäre also ein Widerspruch vorhanden. Einen Widerspruch gibt es aber im Worte Allahs des Erhabenen nicht.

Der darauffolgende Vers lautet: "Und wenn einer der Götzendiener bei dir Schutz sucht, dann gewähre ihm Schutz, bis er Allahs Worte vernehmen kann; hierauf lasse ihn den Ort seiner Sicherheit erreichen..." Dieser Vers weist den Muslim an, einem Götzendiener die Schutzbürschaft (arab. dschiwar) zu geben, wenn dieser es verlangt, bis daß er das Wort Allahs vernommen hat. Daraufhin - wenn der Götzendiener nicht den Islam annehmen sollte - hat der Muslim die Pflicht, den Götzendiener an den Ort seiner Sicherheit zu bringen. Dieser Vers hier macht es nicht zur Pflicht, den Götzendiener zu töten, was eine Bestätigung dafür ist, daß der Befehl im vorangegangenen Vers kein Muß bedeutet, sondern daß das Töten der Götzendiener etwas Erlaubtes ist, und daß die Absicht des Befehl nicht etwa ist, daß es unbedingt zum Töten kommt, sondern daß die Götzendiener davon abgehalten werden sollen, ihre Rituale in der Heiligen Moschee offen zu zeigen, weiterhin, daß ihre Streitkraft geschwächt werden soll - und daß, wenn dies nur durch das Töten erreicht werden kann, dieses Töten rechtmäßig ist.

 

Zusammengefaßt gesagt, gelten die Verse der Sure Bara'a (Sure 9) speziell für die Götzendiener auf der arabischen Halbinsel; und sie können nicht für außerhalb der arabischen Halbinsel angewendet werden. Und es handelte sich um eine zeitgebundene Bestimmung, welche das Ziel hatte, die Ka'ba von den Anzeichen des Schirk zu reinigen, und die Streitkraft der Götzendiener auf der arabischen Halbinsel zu zerschlagen. Danach gilt wieder die ursprüngliche Bestimmeung, daß die Dschizya (Ersatzsteuer) von jedem Götzendiener angenommen wird - gleich ob er Araber ist oder nicht, wenn er den Schutzvertrag (arab. aqdu-dh-Dhimma) akzeptiert.

 

 

 

Zweitens: Die Leute der Schrift (Juden und Christen)

 

Allah der Erhabene hat gesagt: "Kämpft gegen diejenigen, die nicht an Allah und an den Jüngsten Tag Iman haben, und die das nicht für verboten erklären, was Allah und Sein Gesandter für verboten erklärt haben, und die nicht dem wahren Din folgen - von denen, die die Schrift erhalten haben, bis sie eigenhändig die Schutzsteuer in voller Unterwerfung entrichten. [9:29]"

 

Die meisten Überlieferungen sagen, daß dieser Vers kurz vor dem Feldzug von Tabuk herabgesandt wurde, und daß bei diesem Feldzug genau die Situation vorhanden war, in der der oben zitierte Vers verstanden werden muß. Und das Wahrscheinlichste ist, daß der Grund für den Feldzug von Tabuk der war, daß die Byzantiner sich vorbereiteten, Medina anzugreifen. Es ist sogar bekannt, daß die arabischen Stämme, die am Rand von Asch-Scham wohnten und zum Einfluß- bzw. Machtbereich der Byzantiner gehörten, und von denen einige Christen waren, eine den Muslimen gegenüber feindliche Einstellung eingenommen hatten, da sie sich Übergriffe auf Handelskarawanen leisteten und einen Botschafter des Gesandten Allahs (Allahs Segen und Heil auf ihm) getötet hatten. Die Muslime bekämpften diese Christen nicht wegen ihres Weigerung, den Islam anzunehmen, sondern wegen der Übergriffe und Agressionen, die die Christen gegen die Muslime begonnen hatten. Der Quranvers jedoch umfaßt alle Leute der Schrift (d.h. Juden und Christen), und befiehlt, sie solange zu bekämpfen, bis sie eigenhändig die Schutzsteuer (arab. dschizya) in voller Unterwerfung entrichten. Später wird näher auf die sog. Schutzsteuer, die Dschizya eingegangen. Hier wollen wir nur erwähnen, daß ein Unterschied zwischen der Aussage Allahs über die Götzendiener - "und tötet die Götzendiener, wo immer ihr auf sie trefft" - und Seiner Aussage über die Leute der Schrift - "Kämpft gegen diejenigen, ... von denen, die die Schrift erhalten haben" - besteht. Der Grund ist, daß die Götzendiener der arabischen Halbinsel nur die Wahl haben zwischen der Annahme des Islam, dem Getötetwerden und dem, daß sie die arabische Halbinsel verlassen. Die Leute der Schrift hingegen werden aus Gründen bekämpft, die wir später erwähnen wollen, und der Kampf mit ihnen kann enden, wenn sie sich unterwerfen und die Dschizya bezahlen.

 

Wir wollen auch darauf hinweisen, daß der Befehl zum Kämpfen bedeutet, daß dieser rechtmäßig ist, nicht aber eine Pflicht, weil das Ziel der Muslime in deren Beziehung mit den Nichtmuslimen deren Rechtleitung und nicht deren Tötung ist. Wenn die Überbringung der Botschaft ohne Kampf erfolgen kann, so ist die besser, wie die Schafiitische Rechtsschule sagt. Wenn jedoch die Ausrichtung der Botschaft nur mithilfe des Kampfes erfolgen kann, so wird dieser zur Pflicht. Das Bild, das einige Leute vom Muslim haben, daß dieser sein Schwert trägt und damit auf die Menschheit losgeht, und immer, wenn er auf einen Kafir trifft, daß er ihn dann tötet - dies ist ein Vorstellung, welche einige Orientalisten verbreitet haben, um ein verfälschtes Bild vom Islam und vom islamischen Dschihad zu verbreiten.

 

 

 

Drittens: Gibt es bei Versen, die vom Kampf handeln, ein Nasih und Mansuh, d.h. solche Verse, die von anderen abrogiert (d.h. rechtlich außer Kraft gesetzt) wurden?

 

Ibn Barizi (gest. 738 n.H.) sagt in seinem Buch "Die abrogierten und die abrogierenden Stellen des Quran":

 

"Durch den Schwertvers "Und wenn die heiligen Monate abgelaufen sind, dann tötet die Götzendiener, wo immer ihr sie findet, und ergreift sie und belagert sie..."[9:5] wurden 114 Stellen abrogiert, wie Ibn Hazm sagt. Und daraufhin hat Allah einen Teil der Bestimmung, die mit dem Schwertwers festgelegt wurde, mit folgendem abrogiert: "Und wenn einer der Götzendiener bei dir Schutz sucht, dann gewähre ihm Schutz, bis er Allahs Worte vernehmen kann; hierauf lasse ihn den Ort seiner Sicherheit erreichen."[9:6] Außerdem hat Er die Allgemeinheit dieser Bestimmung, wie sie aus dem ersten Teil des Schwertverses hervorgeht, durch das Ende des Schwertverses abrogiert: "...Wenn sie aber bereuen und das Gebet verrichten und die Zakah entrichten, dann gebt ihnen den Weg frei..."[9:5]

Und dem Bekämpfungsvers, welcher der folgende Vers aus Sure At-Tauba ist: "Kämpft gegen diejenigen, die nicht an Allah und an den Jüngsten Tag Iman haben... [9:29]" hat Allah acht Stellen abrogiert...."

 

 

Es besteht kein Zweifel darin, daß viele Gelehrte bemerkten, daß hier sehr übertrieben wurde bei der Behauptung, daß Abrogationen vorliegen, und vor dieser Übertreibung gewarnt haben, weil die Abrogation - wenn sie nicht wirklich hundertprozentig gesichert vorhanden ist - dahin führt, daß ein man davon abhält, daß eine gesichert im Rahmen der Scharia stehende Handlung ausgeführt wird aufgrund einer nicht gesichert bestehenden Abrogation. Und dies bedeutet ein Außerkraftsetzen von Allahs Gesetz, der Scharia.

 

 

Wir können wohl die Gefahr und den Fehler solcher Übertreibungen feststellen, wenn wir als Beispiele einige solcher Verse anführen, von denen einige Gelehrte behaupteten, daß sie vom Schwertvers oder vom Bekämpfungsvers abrogiert wurden:

 

1- Allah hat gesagt: "..und sprecht Gutes zu den Menschen..."[2:83]. Ibn al-Dschauziy sagt: "Einige Leute meinen, daß damit gemeint ist, daß man milde mit den Götzendienern umgehen soll, wenn man sie zum Islam einlädt. Und diese Leute meinen, daß dieser Vers durch den Schwertvers abrogiert wurde. Ibn al-Dschauziy antwortet darauf, daß dies weit hergeholt ist.

 

2- Allah der Erhabene hat gesagt: "...Doch vergebt und seid nachsichtig, bis Allah Seine Entscheidung ergehen läßt..."[2:109] Qatada und andere sagten, daß die Vergebung und Nachsichtigkeit durch den Schwertvers oder durch den Bekämpfungsvers abrogiert worden seien...Ibn al-Dschauziy antwortete darauf, daß dieser Vers nicht abrogiert wurde...

 

3- Allah der Erhabene hat gesagt: "...Doch wir haben unsere Taten und ihr habt eure Taten..."[2:139] Ibn al-Dschauziy sagte, daß einige Quranexegesen der Meinung sind, daß diese Worte eine Anweisung sind, eine Art von Milde gegenüber den Götzendienern zu zeigen, und daß aber diese Worte dann durch den Schwertvers abrogiert wurden - und er antwortete diesen Quranexegesen, daß die Behauptung, daß hier eine Abrogation vorliegt, nicht richtig ist, und zwar aus vier Gesichtspunkten, welche er in seinem Buch "Nawasih al-Quran" (Die abrogierten Stellen des Quran) erwähnte, und die man dort nachschlagen kann.

 

4- Allah der Erhabene hat gesagt: "...Und kämpft auf dem Weg Allahs gegen diejenigen, die gegen euch kämpfen, doch übertretet nicht. Wahrlich, Allah liebt nicht diejenigen, die übertreten..." [2:190] Ibn al-Dschauziy erwähnte, daß die Quranexegesen verschiedene Meinungen über diesen Vers hatten, und daß sie sich nicht darüber einig waren, ob dieser Vers Rechtsgültigkeit besitzt oder aber abrogiert ist, und ob der erste Teil oder der zweite Teil des Verses abrogiert ist, und welches die Verse sind, die diesen Vers abrogieren. Ibn al-Dschauziy diskutierte all diese verschiedenen Aussagen, und kam schließlich zum Schluß, daß der gesamte Vers Rechtsgültigkeit besitzt, und daß die Behauptung, daß eine Abrogation vorliegt, weit wegzuweisen ist.

 

5- Allah der Erhabene hat gesagt: "Es gibt keinen Zwang im Glauben...". Ad-Dahak, As-Siddiyy und Ibn Zaid sagen, daß dieser Teil des Verses durch den Schwertvers abrogiert wurde, während jedoch keinerlei Widerspruch besteht zwischen der Pflicht zum Kampf und dem, daß kein Zwang im Glauben besteht.

 

6- Der Erhabene hat gesagt: "Und wenn sie sich abwenden, so liegt dir lediglich die Verkündung ob..."[3:20] Einige Quranexegesen meinen, daß dieser Vers durch den Schwertvers abrogiert wurde. Ibn al-Dschauziy antwortete ihnen, daß hier keine Abrogation vorliegt.

 

7- Allah der Erhabene hat gesagt: "So wende dich von ihnen ab und ermahne sie..."[4:63] Einige Quranexegesen sagen, daß dies vor dem Befehl zum Kampf galt, und daß dies durch den Schwertvers abrogiert wurde, obwohl der Befehl zum Kampf nicht automatisch bedeutet, daß es immer möglich ist, auch wirklich zu kämpfen. Und so ist das Sichabwenden von den Kafirun weiterhin gefordert, wenn diese sich weigern, den Islam anzunehmen und die Bedingungen für deren Bekämpfung nicht erfüllt sind.

 

8- Allah hat gesagt: "...und wenn sich jemand abwendet, so haben Wir dich nicht zum Hüter über sie gesandt..." [4:80] Einige Leute, unter ihnen Abdurrahman ibn Zaid sind der Meinung, daß dieser Vers durch den Schwertvers abrogiert wurde. Ibn al-Dschauziy sagt hierzu: "Diese Anschauung liegt fern, da der oben angeführte Versteil bedeutet: "Und Wir haben dich nicht eingesetzt, um sie zur Rechenschaft zu ziehen." Es ist also kein Gesichtspunkt für eine Abrogation vorhanden.

 

9- Allah hat gesagt: "So wende dich von ihnen ab und vertraue auf Allah..."[4:81] Ein Teil der Qurankommentatoren sagte, daß dieses Sichabwenden durch den Schwertvers abrogiert wurde, obwohl kein Widerspruch besteht zwischen dem Sichabwenden und der Pflicht zum Kampf. Es ist also kein Grund vorhanden, zu behaupten, daß eine Abrogation vorliegt.

 

10- Der Erhabene hat gesagt: "...also vergib ihnen und wende dich von ihnen ab..."[5:13] Viele Qurankommentatoren sagten: "Das Vergeben und Sichabwenden hier und in anderen Versen ist durch den Schwertvers oder durch den Bekämpfungsvers abrogiert worden...Ibn al-Dschauziy antwortet auf diese Behauptung, daß eine Abrogation vorliegt, und führt an, was der große Qurankommentator Ibn Dscharir at-Tabari gesagt hat, nämlich daß das Vergeben erlaubt ist, solange sie nicht den Krieg erklären und sich nicht weigern, die Dschizya (Schutzsteuer für nichtmuslimische Staatsbürger im islamischen Staat) zu bezahlen.

 

11- Allah der Erhabene hat gesagt: "Dem Gesandten obliegt nur die Verkündigung..."[5:99] Ibn al-Dschauziy erwähnte, daß die Quranexegesen sich darüber nicht einig waren, ob dieser Vers Rechtsgültigkeit besitzt oder abrogiert ist; und er sagte, daß die Aussage, daß der Vers Rechtsgültigkeit besitzt, richtiger ist.

 

12- Allah hat gesagt: "Sprich: "Ich bin nicht euer Wächter..." "[6:66]. Ibn al-Dschauziy erwähnte, daß die Quranexegesen verschiedene Meinungen darüber hatten, ob dieser Vers durch den Schwertvers abrogiert wurde, oder ob er Rechtsgültigkeit besitzt. Ibn al-Dschauziy zog die Meinung vor, daß dieser Vers Rechtsgültigkeit besitzt, da es sich um eine Mitteilung bzw. Nachricht handelt, und weil eine Nachricht nicht abrogiert wird.

 

13- Allah hat gesagt: "Und verlaß jene, die mit ihrem Din ein Spiel treiben und ihn als Zerstreuung betrachten, ..."[6:70] Qatada und as-Siddiyy sagen, daß dieser Vers dazu auffordert, nachsichtig mit ihnen zu sein und sich von ihnen abzuwenden, und daß dieser Vers durch den Schwertvers abrogiert wurde. Mudschahid jedoch sagte, daß dieser Vers eine Warnung ist und Rechtsgültigkeit besitzt. Ibn al-Dschauziy bestätigte, daß die Aussage Mudschahids richtig ist.

 

14- Allah hat gesagt: "..Sprich: "Allah"...Dann laß sie"[6:91] Und Allah sagte: "Wenn einer also sieht, so ist es zu seinem eigenen Besten; und wenn einer blind wird, so ist es zu seinem eigenen Schaden. Und ich bin nicht euer Wächter..." [6:104] Und Allah sagte: "Und wende dich von den Götzendienern ab."[6:106] Und Allah sagte: "Wir haben dich weder zu ihrem Hüter gemacht, noch bist du ihr Wächter..." [6:107] Einige Quranexegesen behaupteten, daß bei all diesen Versen eine Abrogation vorliegt. Ibn al-Dschauziy antwortete darauf, daß all diese Verse Rechtsgültigkeit besitzen.

 

15- Ebenso behaupteten einige Quranexegesen, daß Verse wie

 

"So überlaß sie sich selbst mit dem, was sie erdichten..."[6:112],

"Sprich: "O Leute, handelt eurem Standpunkt gemäß, (auch) ich werde handeln. Bald werdet ihr erfahren..." [6:135],

".."Wartet nur; auch wir warten".."[6:158] und

 

"...mit jenen hast du nichts Gemeinsames..."[6:159]

durch den Schwertvers und den Bekämpfungsvers abrogiert seien. Ibn al-Dschauziy antwortete ihnen, daß sie alle Rechtsgültigkeit besitzen.

 

16- Allah hat gesagt: "Und schmäht die nicht, welche sie statt Allah anrufen, sonst würden sie aus Groll ohne Wissen Allah schmähen..."[6:108] Einige Quranexegesen sagten, daß dies durch den Schwertvers abrogiert sei, weil der Schwertvers den Befehl zum Töten beinhaltet, und das Töten häßlicher als das Schmähen ist. Ibn al-Dschauziy antwortete ihnen, daß dieser Vers nicht abrogiert ist.

 

Dies soll an Beispielen genügen, welche deutlich den Fehler aufzeigen, der einigen Quranexegesen unterlaufen ist, indem sie dem Schwertvers bzw. dem Bekämpfungsvers viel mehr aufluden, als diese tragen - weil die Rechtmäßigkeit, daß die Muslime beim Kampf mit den Kafirun diejenigen sind, die mit dem Kampf beginnen, nicht die Rechtmäßigkeit außer Kraft setzt zu vergeben und sich abzuwenden, wenn nicht gekämpft wird.

 

Der Schwertvers und der Bekämpfungsvers abrogieren keinen einzigen Vers aus dem Quran - gleich ob es sich um Verse handelt, die den Umgang mit den Kafirun bestimmen, oder ob es sich um Verse handelt, die mit der Erlaubnis (arab. ibaha) zu tun haben, die Kafirun aus Selbstverteitigungsgründen zu bekämpfen oder ob es sich um andersartige Verse handelt - und zwar aus folgenden Gründen:

 

1- Der Schwertvers und der Bekämpfungsvers setzten die Rechtmäßigkeit dessen fest, daß die Muslime mit dem Kampf unter bestimmten Bedingungen - wenn dies dem Vorteil der Ausbreitung der Einladung zum Islam dient - beginnen können. Jedoch setzen diese beiden Verse nicht die Rechtmäßigkeit des Kampfes aus Selbstverteidigungsgründen und als Antwort auf Ubertretungen des Feindes außer Kraft. Und sie setzend auch nicht die Rechtmäßigkeit dessen außer Kraft, daß die Muslime geduldig ausharren, wenn sie nicht in der Lage sind zu kämpfen.

 

2- Der Schwertvers und der Bekämpfungsvers weisen zum Kampf an; jedoch ist der Befehl zum Kampf eine Sache, und das tatsächliche Zustandekommen des Kampfes eine andere. Wenn es tatsächlich zum Kampf kommen sollte, dann sind diejenigen Verse außer Kraft gesetzt, die zum Vergeben und Abwenden oder Ähnliches aufrufen; sollte es jedoch nicht zum Kampf kommen - auf grund von Umständen, die der muslimische Herrscher abgewogen hat, so bleibt das Festhalten an der Geduld, der Vergebung, dem Sichabwenden und dem, daß nicht die falschen Götter der Kafirun beschimpft werden sollen, damit sie nicht Allah den Erhabenen beschimpfen, weiterhin rechtlich gültig.

 

3- Die Abrogation bedeutet, daß der abrogierten Bestimmung die Rechtmäßigkeit entzogen wird, und es absolut verboten ist, weiterhin gemäß dieser abrogierten Bestimmung zu handeln...Die Bestimmungen, die den Kampf betreffen, bewegten sich jedoch von einem Stadium ins andere, je nachdem, wie die Umstände der Muslime waren. Wenn die Umstände wieder so werden, wie sie waren, als den Muslimen verboten war zu kämpfen, dann bleibt die Rechtmäßigkeit des Verbotes zu kämpfen aufrechterhalten, und wenn die Umstände sich dahingehend ändern sollten, daß sie denen ähneln, als es lediglich erlaubt war zu kämpfen, dann bleibt die Rechtmäßigkeit des Erlaubtseins des Kampfes aufrechterhalten; und wenn es die Umstände der Muslime erlauben, daß sie als Antwort auf Übertretungen des Feindes kämpfen, dann ist dies rechtmäßig...Der Islam wird zu einer starren Religion und die Muslime kommen nicht voran, wenn nicht die momentanen Umstände in Betracht gezogen werden...

Wenn man sagt, daß die Verse bezüglich des Kampfes, die im letzten Stadium geoffenbart wurden, alle anderen Verse abrogiert haben, so daß man nicht mehr gemäß der früher geoffenbarten Verse handeln darf, dann bedeutet dies folgendes:

a) Daß die Muslime nach wie vor in der Position der Stärke sind, wie sie es waren, als die Verse des letzten Stadiums geoffenbart wurden, und daß man also ständig gemäß dieser letzgeoffenbarten Verse handeln soll, um das entsprechende Ziel zu erreichen. Daß die Umstände, in denen sich die Muslime befinden, immer die gleichen bleiben, muß jedoch nicht unbedingt sein.

b) Da die Umstände, in denen sich die Muslime befinden, ändern können, was auch seit hunderten von Jahren der Fall ist, würde ein Handeln gemäß der Verse des letzten Stadiums bedeuten, daß von den Muslimen mehr gefordert wird, als ihre Möglichkeiten erlauben. Und wenn sie trotzdem danach handeln würden, obwohl sie eigentlich nicht in der Lage dazu sind, dann wird das auch nicht zu dem Ziel führen, dessen Erreichung damals der Grund für die Offenbarung dieser Verse war - sondern es wird vielleicht sogar genau das Gegenteil erreicht.

 

 

 

Die Meinungen von Imam as-Suyuti und von Raghib al-Asfahani

 

Dr. Kamil ad-Daqs unterstützte in seinem Buch "Die Verse über den Dschihad im Quran" die Meinung, daß die von den entsprechenden Phasen abhängigen Bestimmungen des Dschihad nicht abrogiert seien. (Bei Vorliegen einer Abrogation wäre es also nach der Offenbarung der Bestimmungen der letzten Phase, welche sich in der 9. Sure befinden, verboten, entsprechend der früheren Bestimmungen betreffs des Kampfes zu handeln, gleich unter welchen Umständen sich die muslimische Gemeinschaft (arab. Umma) befindet.) Zur Bestätigung dieser Anschauung führte er die Einteilung der Abrogation in drei Arten von Imam as-Suyuti (Allah möge ihm barmherzig sein) an:

"...Die dritte Art ist, wenn eine Anweisung aus einem bestimmten Grund gemacht wurde, und später der Grund dafür weggefallen ist, wie z.B. der Befehl zur Geduld und zum Sichabwenden, wenn die Muslime schwach und gering an Zahl sind. Später ist dies dann durch die Pflicht zum Kampf abrogiert worden. Dies ist in Wirklichkeit jedoch keine echte Abrogation, sondern eine sog. Mansaa, wie Allah sagt: "..oder wenn Wir sie zeitweise ungültig (arab. nansa’aha, in einer anderen Lesart heißt es nunsiha. Die Bedeutung des Verses im Falle von nunsiha ist: wenn wir sie vergessen lassen) machen.."[2:106]. Beim Befehl zum Kampf liegt also eine Mansa‘a vor, bis daß die Muslime erstarken; wenn also die Muslime schwach sind, dann gilt die Bestimmung, daß es Pflicht ist, geduldig das zu ertragen, was den Muslimen an Schaden zugefügt wird. Und so wird das abgeschwächt, auf was viele so erpicht sind, nämlich daß der Schwertvers [9:5] angeblich den Vers abrogiert hat, der zum geduldigen Ausharren anhält. Es handelt sich jedoch in Wirklichkeit nicht um eine Abrogation, sondern um eine Mansa‘a. Eine Abrogation (arab. Nash) bedeutet die Abschaffung einer Bestimmung, in dem Sinne, daß es verboten ist, weiterhin danach zu handeln."

 

Ähnliches führte Dr. ad-Daqs von ar-Raghib al-Asfahani an, der die verschiedenen Phasen in den Bestimmungen über den Kampf mit folgenden Worten aufzeigt:

 

"Dem Gesandten wurde zunächst befohlen, milde zu sein und sich auf die Ermahnung und die Diskussion auf gute Art und Weise zu beschränken. Später wurde ihm der Kampf erlaubt, und dann schließlich wurde ihm befohlen, diejenigen zu bekämpfen, die die Wahrheit bekriegten. Diese verschiedenen Zustände waren von der momentan angebrachten Politik bestimmt."

 

 

 

 

Kapitel 3: Einige Ahadith (d.h. Überlieferungen des Propheten), die vom Kampf handeln, und deren Auslegung

 

 

Erster Hadith: Buchari und Muslim überlieferten, daß Abu Huraira berichtete, daß der Gesandte Allahs (Allahs Segen und Heil auf ihm) gesagt hat:

 

"Mir wurde befohlen, die Menschen (arab. an-nas) solange zu bekämpfen, bis sie "Es gibt keinen Gott außer Allah" sagen. Wenn sie es gesagt haben, so bewahren sie ihr Leben und ihre Güter vor mir, es sei denn, sie begehen eine nach dem Islam strafbare Handlung; und ihre Rechenschaft ist (letzten Endes) bei Allah."

Mit "Menschen" sind hier ausschließlich die arabischen Götzendiener gemeint - darüber sind die Gelehrten übereingekommen (arab. idschma'). Der Hinweis darauf, daß hier mit dem Wort "Menschen" nur einige und nicht alle Menschen gemeint sind, ist, daß von den Besitzern der Schrift (d.h. den Juden und den Christen) die Dschizya angenommen wird, wie es im Quran steht, und daß die Dschizya von Nichtarabern angenommen wird, wie die meisten (arab. dschumhur) Rechtgelehrten übereingekommen sind. Die Überlieferung dieses Hadith von Nasaii bestätigt diese Bedeutung, wo es heißt: "Mir wurde befohlen, die Götzendiener zu bekämpfen, ...". In der arabischen Sprache ist es gebräuchlich, daß man einen allgemeinen Ausdruck gebraucht, obwohl man nur einen Teil der Mitglieder meint. Allah hat gesagt: "Diejenigen, zu denen die Menschen (arab. an-nas) sagten: "Seht, die Menschen (an-nas) haben sich bereits gegen euch geschart; fürchtet sie darum!" - nur stärker wurden sie im Iman..."[3:173]. Diejenigen, die dies sagten, waren mit Sicherheit nur ein Teil der Menschen und nicht alle Menschen, sowie auch diejenigen, die sich versammelten, um die Muslime zu bekämpfen, nur einige Menschen und nicht alle Menschen waren. Es wird sogar in einigen Überlieferungen berichtet, daß diejenigen, die dies sagten, Na'im ibn Masud al-Aschdschai war, und diejenigen, die sich versammelten, Sufyan ibn Harb war."

 

 

 

Zweiter Hadith: Von Abdullah ibn Umar ibn al-Chattab, der gesagt hat: der Gesandte Allahs (Allahs Segen und heil auf ihm) hat gesagt: "Ich bin vor der Stunde (d.h. dem Tag der Auferstehung) gesandt worden mit dem Schwert, bis Allah der Erhabene allein und ohne Beigesellen angebetet wird. Und meine Versorgung wurde mir im Schatten meines Speeres gegeben; und demjenigen, der sich meinem Befehl widersetzt, ist Erniedrigung und Unterwürfigkeit beschieden. (Dies berichteten Ahmad, Abu Ya'la in seinem Masnad und at-Tabarani im Kabir)

 

Dieser Hadith muß auch im Licht aller Bestimmungen des islamischen Rechts (arab. Scharia) gesehen werden. Mit "Ich bin vor der Stunde (d.h. dem Tag der Auferstehung) gesandt worden mit dem Schwert" ist gemeint, daß der Kampf unter Benutzung des Schwertes in der Botschaft Muhammads (Allahs Segen und Heil auf ihm) etwas Rechtmäßiges ist, und zwar von dem Zeitpunkt seiner Gesandtschaft bis hin zum Tag der Auferstehung, da er der letzte Gesandte ist. Hingegen war der Kampf in der Botschaft von Jesus (Friede sie mit ihm) nicht rechtmäßig, denn Jesus (Friede sei mit ihm) wurde nur mit dem schönen Wort und der Einladung zu Allah gesandt; unseren Gesandten Muhammad (Allahs Segen und Heil auf ihm) hat jedoch Allah der Erhabene mit der letzten Botschaft beauftragt, und Er wollte, daß diese Botschaft alle Menschen erreicht, damit sie diese aus der Dunkelheit errettet und ins Licht führt und sie veranläßt, unter dem Gesetz Allahs zu leben. Es ist nur natürlich, daß die Feinde des Islam - die Teufel der Menschen und der Dschinnen - auf keinen Fall die Ausbreitung dieser Religion zulassen wollen. Sie verwenden vielmehr alle möglichen Mittel - und darunter auch das Schwert -, um den Islam und die Muslime zu vernichten. Aus diesem Grund war es nötig, daß die Muslime das Schwert mit dem Schwert beantworten; und aus diesem Grund ist es rechtmäßig in der Botschaft Muhammads (Allahs Segen und Heil auf ihm), das Schwert zu benutzen, um die Feinde von Übergriffen auf die Muslime abzuhalten, um es abzuwenden, daß die Menschen vom Islam mit Gewalt abwegig gemacht werden, und um die Götzendiener und die Kafirun in ihre Schranken zu weisen.

Dieser Hadith bedeutet also, daß die Benutzung des Schwertes rechtmäßig ist. Wann und unter welchen Umständen und Bedingungen dies geschieht, und welches die Regeln dafür sind - diese Dinge wurden durch Quranverse und andere Hadithe aufgezeigt.

 

 

"Ich bin vor der Stunde (d.h. dem Tag der Auferstehung) gesandt worden mit dem Schwert, bis Allah der Erhabene allein und ohne Beigesellen angebetet wird" bedeutet nicht, daß die Nichtmuslime mit dem Schwert gezwungen werden sollen, Allah alleine zu dienen. Solch ein Verständnis kann nicht richtig sein, und es würde der unmißverständlichen Aussagen Allahs "Es gibt kein Zwang im Din"[2:256] und "Willst du etwa die Menschen zwingen, Mu‘minun zu werden?!"[10:99]. Das richtige Verständnis dieses Hadith ist, daß die Auseinandersetzung und der Kampf zwischen den Muslimen und ihren Feinden andauern wird; und es ist unmöglich daß dies ein Ende hat, außer wenn alle sich dahingehend ergeben, Allah allein zu dienen. Sobald es jedoch Muslime und Kafirun gibt, so liegt dies in der Natur des irdischen Lebens, daß diese Auseinandersetzung andauern wird. Und es gehört zum Wesen dieser Auseinandersetzung, daß es manchmal - unter gewissen Umständen – zur bewaffneten, kriegerischen Auseinandersetzung kommt.

 

Wenn wir diese zwei und ähnliche Ahadith und die Verse der Sure Bara'a (Sure 9) und ähnliche Verse richtig verstehen, und wenn wir sie im Lichte von anderen Bestimmungen der islamischen Scharia und im Licht der Rechtleitung, die aus der Biographie des Propheten (Allahs Segen und Heil auf ihm) entspringt, betrachten, dann kommen wir zu einem klaren Schluß, und zwar daß die Muslime nicht übertretenderweise mit dem Kampf beginnen, sondern sie kämpfen zur Erreichung von rechtmäßigen Zielen und aus begrenzten Beweggründen, welche wir später, so Gott will, erwähnen wollen.

 

Das jedoch, was einige durch eine oberflächliche Betrachtung von Versen und Ahadith vom Islam verstehen, daß der Islam den Muslim anweist, die Menschen zu bekämpfen, damit sie den Islam annehmen - dies ist eine merkwürdige und gefährliche Verständnisweise, da sie auf einem oberflächlichen Verständnis eines Verses beruht, wobei hunderte von unmißverständlichen Ahadith im Widerspruch zu diesem Verständnis stehen und es auf dem oberflächlichen Verständnis eines Hadith beruht, und dabei im Widerspruch zur gesamten Biographie (arab. Sira) des Gesandten Allahs (Allahs Segen und Heil auf ihm) und seiner Ahadith steht. Der Gesandte bekämpfte die Götzendiener, er akzeptierte es jedoch von ihnen, daß sie nicht den Islam annahmen. Er hat mit den Quraisch einen Vertrag geschlossen, hat aber keine Dschizya (Schutzsteuer) von ihnen genommen, und er hat mit den Juden in Medina einen Vertrag geschlossen und von ihnen keine Dschizya verlangt. Von den Besitzern der Schrift und den Feueranbetern (arab. Madschus) von Hidschr und ihren Verbündeten hat er andererseits die Dschizya genommen. Die Gelehrten sind übereingekommen, daß das muslimische Heer in den Feldzügen die Feinde vor die Wahl stellt, den Islam anzunehmen oder aber die Dschizya zu bezahlen. Das Ziel des Islam ist es nicht, die Kafirun zu töten, sondern sie rechtzuleiten. Wenn es aber unter bestimmten Bedingungen zum Kampf kommt - und der Kampf ist die Ausnahme - dann wird dieser nur zur Erreichung bestimmter, beschränkter Ziele geführt.

 

 

Kapitel 4: Was ist bei den Muslimen der Beweggrund zu kämpfen?

 

 

Was ist der Beweggrund für Muslime, gegen Nichtmuslime einen Krieg zu führen? Ist der Grund für die Kriegserklärung von Seiten der Muslime etwa der Umstand, daß die Nichtmuslime nicht den Islam annehmen wollen? Oder aber ist es vielmehr so, daß die Muslime nur dann gegen Nichtmuslime kämpfen, wenn diese mit den Aggressionen begonnen haben? Dr. Wahbat az-Zuhaili sagt:

 

"Die große Mehrheit (arab. dschumhur) der Rechtsgelehrten der malikitischen, hanafitischen und hanbalitischen Rechtsschulen sagt, daß der Beweggrund für den Kampf die Bekriegung, Bekämpfung und Übertretung von Seiten der Kafirun ist - und nicht deren Kufr. Niemand wird allein wegen seines Kufr getötet, sondern aufgrund seines Angriffs gegen den Islam. Es ist nicht erlaubt, diejenigen zu bekämpfen, die nicht den Islam bzw. die Muslime angreifen. Mit diesen Menschen sollen die Muslime auf friedliche Weise umgehen. Diese Auffassung leiteten sie aus dem Vers über die Dschizya ab, welcher das Erreichen eines Vertrages zum Ziel des Kampfes macht. Wäre der Kufr der Grund für deren Bekämpfung, dann wäre das Ziel des Kampfes der, daß sie Muslime werden; und es würde von ihnen nicht die Dschizya akzeptiert werden und sie würden nicht bei ihrem Glauben belassen werden. Als weiteren Hinweis für diese Auffassung führten sie an, daß, wenn der Kufr der Grund für die Tötung wäre, dann wäre es nicht verboten (arab. haram), Frauen, Kinder, Mönche und diejenigen zu töten, die nicht am Kampf teilhaben.

Asch-Schafii sagt in einem von zwei Aussagen von ihm, und ebenso einige Gefährten von Ahmad (ibn Hanbal):

"Das, was das Töten erlaubt (mubah) macht, ist der Kufr." Aus diesem Grund halten sie das Töten von jenen, die nicht am Kampf teilhaben für erlaubt. Als Beleg für ihre Ansicht führen sie an, daß der Teilvers "Tötet die Götzendiener"[9:5] für alle Götzendiener gilt (wörtl. allgemein zu verstehen ist). Jedoch ist ihnen zu antworten, daß dieser Vers nur von allgemeinem Charakter ist, der eingeschränkt wird durch das Verbot, einen Dhimmi, Frauen und Kinder zu töten. Diesbezüglich sind die gesunden (arab. sahih) Hadithe zahlreich und berühmt. Ebenso ist ihnen mit folgendem unmißverständlichen Vers zu antworten: "Und bekämpft auf dem Wege Allahs diejenigen, die euch bekämpfen und übertretet nicht. Wahrlich, Allah liebt nicht die Übertreter."[2:191] Ibn Taimiyya hat gesagt: "Die Muslime sollen diejenigen bekämpfen, die sie bekämpfen und nicht jene, die sie nicht bekämpfen." Sollte gesagt werden, daß dieser Vers abrogiert sei, dann antworten wir mit folgendem:

 

1- Daß es keinen Beleg für eine Abrogation gibt. Ibn Taimiyya hat gesagt: "Die Behauptung, daß eine Abrogation vorliegt, muß einen Beleg haben. Im Quran gibt es jedoch keinen Vers, der im Widerspruch zu diesem Vers steht, vielmehr ist im Quran vorhanden, was mit diesem Vers in Einklang steht - wo ist also die abrogierende Textstelle?

 

2- Daß dieser Vers Bedeutungen beeinhaltet, deren angebliche Abrogation nicht akzeptiert werden kann. Dieser Vers beinhaltet das Verbot zu übertreten. Und es ist in keinster Weise erlaubt zu sagen, daß dies abrogiert sei. Ibn Abbas, Umar ibn Abdulaziz und Mudschahid sagen, daß dieser Vers Rechtsgültigkeit besitzt.

 

3- Wenn es erlaubt wäre, wegen Kufr jemanden zu töten, dann wäre es auch erlaubt, jemanden zum Islam zu zwingen. Dies ist aber aufgrund des eindeutigen Verses "Es gibt keinen Zwang im Din..."[2:256] und aufgrund des Beispiels des Propheten (Allahs Segen und Heil auf ihm) untersagt, welcher nie jemanden zur Annahme des Islam gezwungen hat Ibn Taimiyya sagt in seinem Brief über das Kämpfen: "Es war seine Gewohnheit, niemanden von den Kafirun, mit denen er einen Waffenstillstand eingegangen ist, zu bekämpfen - gleich ob es sich um arabische Götzendiener oder andere handelte. Die Bücher über die Leben des Propheten, die Hadithbücher, die Bücher des Tafsir (Qurankommentare), die Bücher des Fiqh (islamisches Recht) und die Bücher über die Feldzüge zeugen alle davon. Diese Gewohnheit des Propheten wurde auf mutawatir überliefert. Er war nie derjenige, der anfing, einen Kafir zu bekämpfen. Und hätte Allah ihm befohlen, jeden Kafir zu töten, dann hätte er auch mit dem Töten und mit dem Kampf angefangen." "

Soweit die Zusammenfassung dessen, was Dr. Wahbat az-Zuhaili gesagt hat.

 

Der Beweggrund also für den Kampf ist nach der Meinung der Allgemeinheit (arab. Dschumhur) der Rechtgelehrten nicht der bloße Kufr, sondern die Bekriegung und der Angriff von Seiten der Kafirun.

 

Wir wollen hier klarstellen, daß mit Bekriegung und Angriff nicht nur gemeint ist, daß Armeen sich zum Kampf gegenübertreten. Die Bedeutung von Bekriegung hat einen umfassenderen Sinn. Wenn Menschen davon abgehalten werden, den Islam anzunehmen bzw. versucht wird, sie wieder davon abwegig zu machen, so ist dies auch eine Art der Bekriegung - dies kann sogar manchmal schlimmer als Kampf und Töten sein. Aus diesem Grund hat Allah gesagt:

 

"...Und fitna ist schlimmer als Töten..."[2:217]

und Er hat gesagt:

 

"Und kämpft gegen sie, bis es keine fitna mehr gibt und der Din für Allah ist... [2:193]"

und

 

"Und kämpft gegen sie, bis es keine fitna mehr gibt und der Din ganz für Allah ist... [8:39]"

 

So hat Allah es den Muslimen zur Aufgabe gemacht, allen Menschen die Möglichkeit zu eröffnen, frei wählen zu können, ob sie den Islam annehmen oder ablehnen wollen. Wenn also die Menschen vom Islam abwegig gemacht werden oder aber sich jemand dagegen stellt, daß die Menschen den Islam kennenlernen oder den Islam annehmen können, so ist dies eine Übertretung. Eine solche Übertretung ist ein Grund für die Muslime, in einen militärischen Krieg einzutreten, um die Unterdrückten zu befreien und das Abwegigmachen der Menschen vom Islam zu beseitigen. Der Krieg wird also geführt, damit sich die Menschen frei entscheiden können, was sie wollen. Was die Aussage Allahs "und der Din für Allah ist"[2:193] betrifft, so bedeutet das nicht, daß alle Menschen Muslime werden sollen. Ein solches Verständnis stünde im Widerspruch zu vielen anderen Versen, wie z.B.:

 

"Und hätte Allah gewollt, so hätte Er sie zu einer einzigen Gemeinschaft gemacht"[42:8]

und

"doch sie wollten nicht davon ablassen, uneins zu sein"[11:118]

und

".. Und die meisten Menschen werden nicht Mumins werden, magst du es auch noch so eifrig wünschen.[12:103].

Das richtige Verständnis der Aussage Allahs "und der Din für Allah ist"[2:193] ist, daß die Menschen ihre Religion bzw. Lebensweise ausschließlich um Allahs Willen wählen - ohne jeglichen Druck und Zwang, selbst wenn sie in unseren Augen eine falsche Wahl treffen würden.

 

Wenn das Abwegigmachen aufhört, und die Menschen fern von Zwängen ihre Religion bzw. Lebensweise wählen können, dann hört auch die Androhung mit Kampf bzw. der Kampf auf. Der Grund für eine Bekämpfung ist also nicht nur in dem Fall gegeben, wenn den Muslimen der Krieg erklärt wird und sie sich verteidigen müssen, sondern auch, die Abwegigmachung vom Islam zu verhindern - dabei ist es gleich, ob diese Abwegigmachung gegen die Muslime gerichtet ist, indem ihnen der Krieg erklärt wird, oder ob sie gegen die Nichtmuslime gerichtet ist, um sie vom Eintritt in den Islam abzuhalten. So wird klar, daß es sein kann, daß die Muslime diejenigen sind, die mit der Bekämpfung anfangen, wenn der Feind mit der Abwegigmachung begonnen hatte. Wenn jedoch keine Abwegigmachung vorhanden ist, und die Menschen sich frei entscheiden, den Islam nicht anzunehmen, dann geht der Islam entsprechend dieser Entscheidung mit ihnen um, und es besteht keine Notwendigkeit für einen Krieg bzw. Kampf, außer wenn die Feinde ihn beginnen.

 

Die schafiitische Rechtsschule sagt: "Die Pflicht zum Dschihad ergibt sich aus einem notwendigen Mittel zum Zweck und ist nicht Selbstzweck. Das Ziel des Dschihad ist 1. Die Möglichkeit die Botschaft des Islam zu überbringen, und 2. daß man Märtyrer wird. Das Töten der Kafirun ist jedoch nicht das eigentliche Ziel; und so ist die Möglichkeit der friedlichen Überbringung der Botschaft allein durch verbale Erläuterung mit Anführung der Belege für die Wahrheit der Botschaft dem Dschihad vorzuziehen."

 

 

Kapitel 5: Welches sind die Forderungen, die die Muslime an ihre Feinde beim Kampf stellen?

 

 

Wenn die Muslime ihren Feinden den Kampf ansagen, was sind ihre Forderungen, die sie an diese Feinde stellen? Es bekannt, daß die Muslime ihren Feinden die Wahl zwischen dem Islam, der Dschizya und dem Kampf ließen. Diese Wahl beruht auf folgender Anweisung des Gesandten Allahs (Allahs Segen und Heil auf ihm) an diejenigen, die er als Befehlshaber über ein Heer einsetzte: "Wenn du auf deine Feinde von den Götzendienern triffst, lade sie zu drei Dingen ein; welches sie auch von ihnen akzeptieren sollten, so nimm das betreffende von ihnen an und laß von ihnen ab: Lade sie zum Islam ein; sollten dazu bereit sein, so nimm dies von ihnen an und laß von ihnen ab...Wenn sie dies jedoch ablehnen sollten, dann fordere von ihnen die Dschizya (Schutzsteuer). Sollten sie dies akzeptieren, so nimm sie von ihnen an und laß von ihnen ab....Sollten sie dies ablehnen, so suche Hilfe bei Allah gegen sie und bekämpfe sie..."

 

Hiervon ist abzuleiten, daß das Ende des Kampfes zwischen den Muslimen und ihren Feinden – wenn er erst einmal begonnen hat - nur auf zwei Wegen zustandekommen kann:

 

 

a) Daß sie es akzeptieren, den Islam anzunehmen. Dann gebührt ihnen das, was den Muslimen gebührt und ihnen ist auferlegt, was den Muslimen auferlegt ist. Ihr Land und ihr Gut bleiben in ihrem Besitz. Sie sind dann ein Teil der muslimischen Gemeinschaft und haben die gleichen Rechte und Pflichten wie die übrigen Muslime. Es ist natürlich klar, daß die Feinde das Recht haben, die Annahme des Islam zu akzeptieren, es ist aber auch ihr Recht, dies abzulehnen; und aus diesem Grund sagte der Gesandte Allahs (Allahs Segen und Heil auf ihm): "Wenn sie dies jedoch ablehnen sollten, dann fordere von ihnen die Dschizya (Schutzsteuer)...". Dies unterstreicht, daß niemand gezwungen werden darf, den Islam anzunehmen;

 

 

b) Wenn die Feinde es ablehnen, den Islam anzunehmen, dann fordern die Muslime von ihnen die Dschizya, welches eines der Bedingungen für einen unbegrenzten Vertrag zwischen den Muslimen und ihren Feinden ist. Der Vertrag ist als Dschizya bekannt, weil die Zahlung der Dschizya das hervorstechende Merkmal dieses Vertrages ist. Wir wollen hier die Angelegenheit mit der Dschizya anhand folgender Punkte offenlegen:

 

1- Das Fordern der Dschizya von den Feinden rührt daher, daß sie es waren, die entweder die Muslime angegriffen haben, indem sie ihnen direkt den Krieg erklärt haben oder daß sie den Islam angegriffen haben, indem sie die Menschen von der Annahme des Islam abhielten und alles, was in ihren Möglichkeiten stand, taten, um die Menschen vom Islam abwegig zu machen. Es ist ein Recht der Muslime, daß sie sich dagegen absichern, daß ihnen neuerlich der Krieg erklärt wird bzw. daß die Menschen erneut von der Annahme des Islam abgehalten werden und versucht wird, die Menschen vom Islam abwegig zu machen. Aus diesem Grund bieten sie ihren Feinden einen dauerhaften Friedensvertrag an, welcher Dhimma-Vertrag (arab. aqdul dhimma) genannt wird.

2- Der Dhimma-Vertrag umfaßt Rechte und Pflichten. Was die Pflichten des Dhimmi anbetrifft, so ist dies die Abstandnahme von jeglicher Sache, die den Muslimen an Leib und Gut schadet. Imam Asch-Schafii hat dies in acht Punkten zusammengefaßt:

1. Verbot des Zusammentreffens, um die Muslime zu bekämpfen,

2. Verbot dessen, daß ein Dhimmi mit einer Muslima Unzucht treibt und Verbot dessen, daß er sie heiratet,

3. daß ein Dhimmi nicht einen Muslim von seiner Religion versucht abzubringen,

4. Verbot der Wegelagerei,

5. Verbot dessen, daß ein Dhimmi als Spion für die Feinde arbeitet,

6. daß er nicht den Feinden gegen die Muslime beisteht,

7. daß er weder einen Muslim noch eine Muslima tötet,

8. daß er nicht abwertend oder geringschätzig vom Islam spricht; d.h. daß er nicht über Allah den Erhabenen, Sein Buch, Seine Religion oder Seinen Gesandten so spricht, wie es sich nicht gehöhrt.

3- Rechte des Dhimmi aufgrund des Dhimma-Vertrages:

Schutz des Gutes, des Landes, des Leibes, der Religion, der Sippe und des Handels des Dhimmi und alles was ihm unterliegt, sei es groß oder klein; kein Bischof wird von seinem Bistum, kein Mönch von seinem Mönchskloster und kein Priester von seinem Priestersitz versetzt; der Dhimmi soll nicht verächtlich behandelt werden, an ihm wird keine vorislamische Blutrache verübt; den Dhimmis darf kein finanzieller Schaden zugefügt werden und sie werden nicht absichtlich mit Schwierigkeiten konfrontiert. Ihren Boden betritt kein Heer. Wer von ihnen ein Recht einfordert, so soll zwischen ihnen in Gerechtigkeit verfahren werden, so daß sie weder Unrecht tun, noch ihnen Unrecht angetan wird.

Es sind also volle Staatsbürgerrechte, die der Dhimmi genauso wie der Muslim genießt. Diesbezüglich gibt es keinen Unterschied zwischen dem Muslim und dem Dhimmi, mit Ausnahme dessen, daß der Muslim zusätzliche Rechte hat, die er aufgrund dessen hat, daß er ein Muslim ist. Was jedoch die Menschen- und Staatsbürgerrechte anbelangt, so gibt es keinen Unterschied zwischen Muslim und Dhimmi.

4- Der Dhimmi bezahlt die Dschizya, um seine Bereitschaft zu untermauern, einen dauerhaften Friedensvertrag mit den Muslimen zu schließen und sich an die übrigen Verpflichtungen zu halten als Gegenleistung für die Rechte, die er hat. Die Dschizya ist die finanzielle Verpflichtung des Dhimmi, die er an die muslimische Gesellschaft bezahlt als Gegenleistung für die finanziellen Leistungen bzw. Rechte, die er in dieser Gesellschaft in Anspruch nimmt. Diese finanziellen Rechte sind genau die gleichen wie die des Muslims. Dazu gehört z.B. das Recht auf Versorgung aus der muslimischen Staatskasse bei Arbeitsunfähigkeit (arab. 'adschz), wie dies von Umar ibn al-Chattab berichtet wird, und wie es im Brief von Khaled ibn al-Walid an die Einwohner von Hira steht:

"..Folgende Dhimmis sind von der Dschizya befreit, und sie und ihre Familien werden aus der muslimischen Staatskasse versorgt, solange sie sich im Land des Islam (arab. Darul-Islam) aufhalten:

  • ein arbeitsunfähiger Greis,
  • jemand, der von irgendwelchen Schicksalsschlägen heimgesucht wurde (und deshalb verhindert bzw. zahlungsunfähig ist),
  • jemand, der reich war und verarmt ist und auf dem Schulden lasten und man ihm nun Almosen gibt."

 

Die Dschizya ist auch eine finanzielle Gegenleistung des Dhimma für seine Befreiung vom Militärdienst im islamischen Heer. Die Befreiung vom Militärdienst rührt daher, daß das muslimische Heer eigentlich um des Islam willen kämpft, und so wäre es nicht gerecht, wenn ein Nichtmuslim gezwungen wäre, in solch einem Heer mitzukämpfen. Wenn er jedoch mitkämpfen möchte, ist es möglich, daß er von der Dschizya befreit wird, wie es im Brief von Suwaid ibn Maqran, einem Befehlshaber unter dem 2. Kalifen Umar ibn al-Chattab, an die Einwohner von Dahastan und die übrigen Einwohner von Gorgan steht - und wie es im Vertrag von Suraqa ibn ´Amr mit den Einwohnern Armeniens vom Jahr 22 n.H. steht, und wie auch Hubaib ibn Muslima al-Fahri mit den Einwohnern Antakyas einen Friedensvertrag schloß. Dies sind nur einige Beispiele. Es gibt noch viele solcher Beispiele.

5- Die Dschizya wird nur von jemandem verlangt, der in der Lage ist, sie zu bezahlen. Denn dies ist die Bedeutung der folgenden Aussage Allahs des Erhabenen: "...bis sie eigenhändig die Dschizya entrichten..."[9:29]. "Eigenhändig" bedeutet hier "wenn es ihnen möglich ist". So müssen Frauen, Hermaphroditen (frauenähnliche Männer), Kinder und Wahnsinnige gemäß der übereintimmenden Meinung der Rechtsgelehrten keine Dschizya entrichten. Die Allgemeinheit (arab. Dschumhur) der Rechtsgelehrten sind sogar der Meinung, daß Mönche, die in ihrer Einsiedlerei wohnen, keine Dschizya entrichten müssen. Gemäß der malikitischen und hanafitischen Rechtsschulen entfällt die Dschizya bei Blindheit, chronischer bzw. lang andauernder Krankheit (arab. marad muzmin) , dauerhafter Unfähigkeit, Alter und Armut. Des weiteren ist der Umfang der Dschizya nicht absolut festgelegt, sondern ist dem Idschtihad, d.h. der Abwägung des Befehlshaber überlassen, der deren Umfang entsprechend der Möglichkeiten des Dhimmi und der Zeit- und Ortumstände festlegt. Diese Ansicht wird von Abu Ubaid in seinem Buch "Al-amwal" (Die Güter) vertreten, der diese Ansicht als die Ansicht von Ahmad ibn Hanbal überliefert. Al-Mawardi berichtet, das dies die Ansicht von Imam Malik ist. Und dies ist vielleicht auch der Grund für die Unterschiede in verschiedenen Überlieferungen, in denen darüber berichtet wird, in welchem Umfang der Propheten (Allahs Segen und Heil auf ihm) die Dschizya festgelegt hat. Und schließlich bestätigt dies auch, daß die Dschizya keine Strafe für den Kufr ist - die Strafe für den Kufr liegt im Jenseits –, sondern eine Beteiligung an der muslimischen Gesellschaft.

6- Die "Unterwürfigkeit", von der im Vers gesprochen wird - "...bis sie eigenhändig die Dschizya in voller Unterwerfung entrichten..." - bedeutet: bis sie sich den Muslimen unterwerfen. Dieses Unterwerfen ist ein ist ein natürliches Ergebnis, und zwar aus folgendem Grund: Der Kampf mit denjenigen, die die Muslime angegriffen haben bzw. die die Menschen vom Islam abwegig machen wollten, und die hartnäckig nicht davon abgelassen haben, bis die Muslime sie schließlich bekämpften, wird natürlicherweise nicht enden, bevor sie sich nicht ergeben und unterwerfen und einen dauerhaften Friedensvertrag mit den Muslimen akzeptieren. Dieser dauerhafte Friedensvertrag ist der Dhimma-Vertrag.

 

 

c) Wenn die Muslime ihren Feinden anbieten, daß diese die Dschizya bezahlen sollen, bieten sie eine endgültige Lösung an, die ein endgültiges Ende des Krieges herbeiführt. Aus der Sicht der Muslime kann dies nur herbeigeführt werden, wenn die Feinde entweder den Islam annehmen oder den Dhimma-Vertrag akzeptieren. Aus diesem Grund sind dies die Forderungen der Muslime. Wenn die Feinde aber andere Vorschläge vorbringen, um den Kampf zu beenden, so sind die Muslime bereit, diese anzuhören und über diese zu verhandeln. Dann kann es sein, sie sie in der vorgeschlagenen Form annehmen oder abändern...Die Verhandlungen können auch ein Ende des Kampfes herbeiführen, ohne daß die Kafirun den Islam annehmen und ohne daß sie die Dschizya bezahlen, weil das Ende des Kampfes und ein Friedensschluß zu den Zielen der Muslime gehört, wenn sie davor sicher sein können, daß die Kafirun sie nicht angreifen und auch sicher sein können, daß die Einladung zum Islam sich frei ausbreiten kann...In der Geschichte ist es tatsächlich passiert, daß sich die Muslime und die Kafirun auf eine dritte Lösung geeinigt haben, die ein Ende des Kampfes herbeiführte. Im folgenden wollen wir einige Beispiele dafür anführen.

 

1- Die Banu Madladsch kamen zum Propheten (Allahs Segen und Heil auf ihm), ohne ihn zu bekämpfen, und schlossen mit ihm einen Vertrag, der besagte, daß sie niemanden gegen ihn unterstützen dürfen, wie es im Friedensvertrag von Khaled ibn Walid mit ihnen stand. Der Gesandte Allahs (Allahs Segen und Heil auf ihm) akzeptierte dies von ihnen; und aus ihrem Anlaß wurde folgender Quranvers geoffenbart: "...mit Ausnahme derer, die zu Leuten gelangen, mit denen ihr ein Bündnis habt, und die zu euch kommen, weil ihre Herzen davor zurückschrecken, gegen euch oder gegen ihr eigenes Volk zu kämpfen. Und wenn Allah es gewollt hätte, hätte Er ihnen Macht über euch geben können; dann hätten sie sicherlich gegen euch gekämpft. Darum, wenn sie sich von euch fernhalten und nicht gegen euch kämpfen, sondern euch Frieden bieten; dann hat Allah euch keinen Grund gegen sie gegeben." [4:90]. Daß der Offenbarungsanlaß für diesen Vers die Banu Madladsch waren, ist die Aussage Hasans. Ibn Abbas sagt, daß der Offenbarungsanlaß dieses Verses die Banu Bakr ibn Yasid waren. Ikrima sagt, daß der Offenbarungsanlaß Hilal ibn ´Uwaimir al-Islami, Suraqa ibn Malik und Khazima ibn Amer waren. Qatada meint, der Offenbarungsanlaß sei Khuza'a und die Banu Madladsch seien...Es scheint, daß auf all die eben erwähnten die Regelung dieses Verses zutrifft, da sie alle weder die Muslime noch ihre eigenen Leute bekämpfen wollten und sich von beiden Parteien fernhielten; und so wurde den Muslimen befohlen, sie nicht zu bekämpfen und von ihnen dieses Abseitsstehen zu akzeptieren. Es stimmt zwar, daß die meisten Qurankommentatoren sagen, daß dieser Vers durch den Schwertvers abrogiert sei, jedoch wollen wir hier die Meinung Imam Suyutis erwähnen, der sagt, daß es bezüglich der Verse, die vom Kampf handeln, keine Abrogation gibt, sondern daß es sich um Mansa‘a handelt, und daß jegliche Regelung bezüglich des Kampfes an Umstände gebunden ist, und daß, wenn die Umstände wieder die gleichen werden, daß dann die entsprechende Regelung wieder Rechtskraft erhält. Auch wollen wir erwähnen, daß die Meinung der meisten Quranexegesen, daß dieser Vers durch den Schwertvers abrogiert sei, sich auf die arabischen Götzendiener beschränkt - aus Gründen, die bereits erwähnt wurden. D.h. dieser Vers ist nach deren Meinung für Nichtaraber nicht abrogiert. Qadi Abu Ya'la hat sagt: "Nachdem Allah den Islam stark gemacht hat, wurde ihnen (d.h. den Muslimen) befohlen, von den arabischen Götzendienern nur die Annahme des Islam bzw. das Schwert zu akzeptieren"

 

2- In dem Vertrag, den der Gesandte Allahs (Allahs Segen und Heil auf ihm) mit den Juden Medinas abschloß, legte er die Grundsätze für das Zusammenleben von Muslimen und Juden, sowie die Pflicht zum gegenseitigen Beistand gegen einen äußeren Feind fest. D.h. daß die Juden nicht Abseits zu stehen hatten, wenn ein Feind Medina angreift, sondern daß sie Seite an Seite mit den Muslimen stehen müssen. Dies war alles, was der Gesandte Allahs (Allahs Segen und Heil auf ihm) verlangte, in diesem Vertrag wurde also keine Dschizya erwähnt.

 

3- Beim Friedensvertrag von Hudaibiyya wurde flogendes festgelegt:

  • ein zehnjähriger Waffenstillstand;
  • daß jeder arabischer Stamm das Recht hatte, ein Verbündeter der Muslime oder der Quraisch zu werden;
  • das Recht der Quraisch, jeden, der von ihnen zum Islam übertritt und nach Medina geht, zurückzufordern;
  • das Recht der Quraisch, jeden, der vom Islam abfällt und von Medina zu den Quraisch kommt, zu behalten.

 

Der Gesandte Allahs (Allahs Segen und Heil auf ihm) ging auf diese Forderungen - durch Offenbarung von Allah – ein, obwohl die Muslime nicht schwach waren. Die Gelegenheit, die sich nun für alle Menschen eröffnete, den Islam anzunehmen, war Rechtfertigung genug für den Frieden. Dies, weil der Dschihad um dieses Zieles willen rechtmäßig ist. Wenn jedoch das Ziel auch auf friedlichem Weg erreicht werden kann, dann ist kein Kampf nötig.

 

4- Einige Leute mögen die Vorstellung haben, daß all diese Bestimmugen durch den Schwertvers und den Bekämpfungsvers abrogiert wurden, und daß es nun keine andere Art der Beziehung zwischen den Muslimen und ihren Feinden als den Kampf und die Dschizya gibt. Diesen Leuten möchten wir mitteilen, daß Nasa‘i, Baihaqi und Tabarani in einer Überlieferung von Abdullah ibn Umar (Allahs möge mit ihm zufrieden sein) berichteten, daß der Prophet (Allahs Segen und Heil auf ihm) gesagt hat: "Laßt von Abessinien ab, solange sie von euch ablassen, denn der Schatz der Ka'ba wird durch niemanden anderes als durch Zhul-sawiqatain (wörtl. der mit den zwei Stielen) aus Abessinien geborgen."

Abu Dawud, Nasa‘i, Baihaqi und Hakim berichteten in einer Überlieferung von einem der Prophetengefährten, daß der Prophet (Allahs Segen und Heil auf ihm) gesagt hat: "Laßt von Abessinien ab, solange sie von euch ablassen, und laßt von den Türken ab, solange sie von euch ablassen."...Iman Malik hat gesagt: "Es ist verboten, einen Krieg gegen Abessinien zu beginnen aufgrund eines Hadithes, der berichtet wurde", und als er nach der Sicherheit der Überlieferungskette gefragt wurde, sagte er: "Die Muslime haben es bisher immer peinlich vermieden, einen Feldzug gegen sie zu führen."

Wenn wir uns vor Augen führen, daß Abessinien (Äthiopien) nie Land des Islam (arab. darul-islam) war, obwohl der Negus (der Herrscher Abessiniens) als einziger Muslim wurde, und daß den Muslimen trotzdem befohlen wurde, Abessinien nicht anzugreifen, können wir verstehen, daß es möglich ist, daß ein Frieden zwischen den Muslimen und ihren Feinden zustandekommt durch ein bestimmtes Abkommen, wobei dieses Abkommen nicht unbedingt unter allen Umständen einen Dhimma-Vertrag beinhalten muß.

 

5- In der Zeit, als Amr Ibn al-As Befehlshaber in Ägypten war, belagerten die Muslime Nubien in Ägypten. Sie konnten es jedoch aufgrund der großen Schützenfertigkeit seiner Einwohner nicht einnehmen. Dieser Widerstand dauerte an, bis Abdullah Ibn Abu Sarah Statthalter von Ägypten wurde, welchen die Bewohner Nubiens um einen Frieden und um Aufname von guten Beziehungen baten. Er willigte ein, ohne eine Dschizya zu verlangen. Im Vertrag, der eingegangen wurde, wurde festgelegt, daß die Nubier jährlich 300 Stück Vieh den Muslime abgeben sollten. Als Gegenleistung sollten die Muslime ihnen Lebensmittel im gleichen Wert abgeben. Ibn Lahi'a sagte: "Uthman wie auch die Statthalter und Befehlhaber nach seinem Tod unterschrieben diesen Vertrag und Umar Ibn Abdulaziz bestätigte diesen Vertrag." Dieser Vertrag entsprach einem gegenseitigen Handelsabkommen. Er wurde jedes Jahr offen oder im Geheimen verlängert, als die Geschenke ausgetauscht wurden. Es kam so, daß beide Seiten mehr als das Vereinbarte als Geschenk zu übergeben pflegten. Dieser Vertrag war mehr als 600 Jahre lang gültig. Er wurde erst unter der fatimidischen Herrschaft in Ägypten beendet. Zunächst war der Grund des Vertrages der, daß die Muslime nicht in der Lage waren, Nubien zu erobern. Jedoch zeigt dessen andauernde Verlängerung, obwohl die Muslime längst eine ausreichende Stärke erreicht hatten, um Nubien zu erobern, daß sie einen solchen Vertrag für rechtmäßig hielten, und daß sie die Überzeugung hatten, daß es möglich ist, daß ein Friedensabkommen zwischen Muslimen und Nichtmuslimen zustandekommt, ohne daß dabei unbedingt die Dschizya gefordert werden muß, wenn die Nichtmuslime sich daran halten, nicht die Feinde der Muslime gegen diese zu unterstützen und wenn die Nichtmuslime sich nicht dagegen stellen, wenn zum Islam eingeladen wird.

 

6 - Zypern befand sich unter der Herrschaft von Byzanz, als Muawiya Ibn Abu Sufyan zur Zeit des Kalifats von Uthman Ibn Affan im Jahre 28 n.H. (648 n.Chr.) die Insel angriff. Die Bewohner Zyperns boten jedoch den Muslimen einen Friedensvertrag an, in dem sie sich verpflichteten, jährlich 7000 Dinar an die Muslime und die gleiche Summe an die Byzantiner zu entrichten. Die Muslime waren damit einverstanden unter der Bedingung, daß ihnen erstens die Bewohner Zyperns die Geheimnisse der Byzantiner mitteilen würden, zweitens, daß die Muslime den Feind von Zypern aus angreifen können und drittens, daß die Bewohner Zyperns weder die Muslime noch die Byzantiner unterstützen würden. Im Jahre 32 n.H. halfen die Bewohner Zyperns jedoch den Byzantinern gegen die Muslime, indem sie den Byzantinern Schiffe gaben, worauf Muawiya im Jahre 33 n.H. (654 n.Chr.) Zypern mit 500 Schiffen angriff und eroberte. Daraufhin ging er mit ihnen erneut einen Friedensvertrag unter den früheren Bedingungen ein. Als Abdulmalik Ibn Saleh Statthalter von Zypern wurde, revoltierten einige der Bewohner Zyperns. Abdulmalik rief daraufhin einige Rechtsgelehrte um Rat an, ob er den Vertrag für ungültig erklären sollte, weil die Bewohner den Vertrag gebrochen hatten. Die meisten Rechtsgelehrten - unter ihnen Imam Malik - rieten, bei dem Vertrag zu bleiben und von einer Bestrafung der Bewohner Zyperns abzusehen. Musa bin Uyaina legte dies damit aus, daß die Bewohner Zyperns nicht Leute seien, mit denen ein Dhimma-Vertrag eingegangen wurde, obwohl sie ihnen eine Abgabe an die Muslime leisteten. So verblieb Zypern bei seinem alten Vertrag, obwohl es ihn gebrochen hatte, und seine Einwohner wurden nicht zu einem Dhimma-Vertrag mit Zahlung der Dschizya gezwungen So verblieb Zypern bei seinem alten Vertrag, obwohl es ihn das erste mal gebrochen hatte, und dessen Einwohner wurden nicht zu einem Dhimma-Vertrag mit Zahlung der Dschizya gezwungen, weil die Muslime daran einen Vorteil sahen. Dieser Vorteil war sehr wohl mit der Scharia zu vereinbaren, was das Einverständnis der verschiedenen sich abwechselden Herrscher und zeitlich aufeinanderfolgenden Gelehrten zeigt.

 

7- In der Zeit des Kalifats von Umar ibn al-Chattab gingen die Muslime einen Friedensvertrag mit den Einwohner der Stadt Dschardschuma auf dem Berg Lakam ein, während sie Asch-Scham eroberten. Der Vertrag besagte, daß die Einwohner Dscharschumas den Muslimen helfen mußten und ihnen gegen die Byzantiner helfen mußten, und daß die Muslime von ihnen keine Dschizya verlangen.

 

 

Zusammengefaßt gesagt, sind die Bedingungen der Muslime, die sie an den Feind stellen, wenn es zum Krieg kommt, entweder, daß die Feinde den Islam annehmen oder aber, daß sie die Dschizya bezahlen. Sollten jedoch die Feinde andere Vorschläge für Bedingungen für einen Friedensvertrag machen, so ist es den Muslimen möglich, diese Bedingungen anzunehmen, wenn dadurch zwei Dinge abgesichert sind: Erstens, daß diese Feinde keinen anderen Feind der Muslime gegen die Muslime unterstützen und zweitens, daß sie nicht versuchen, die Menschen vom Islam abwegig zu machen. Dies sind die zwei Bedingungen, welche bei allen Verträgen der Muslime mit den Kafirun explizit oder implizit vorkamen. Der Dhimma-Vertrag mit der Zahlung der Dschizya ist für die Muslime der bessere Zustand, jedoch ist es ihnen möglich, davon abzusehen und einen anderen Zustand zu akzeptieren, welcher das Wohl des Islam und der Muslime bewahrt, um möglichst schnell einen Frieden zu erreichen. Allah hat gesagt: "Wenn sie jedoch zum Frieden geneigt sind, so sei auch du ihm geneigt und vertraue auf Allah. Wahrlich, Er ist der Allhörende, der Allwissende. Wenn sie dich jedoch hintergehen wollen, dann laß es dir an Allah genügen..."[8:61-62].

Dem Muslim wird in diesem Vers befohlen, ein Friedensangebot der Feinde anzunehmen, selbst wenn er den Verdacht hat, daß die Feinde nur betrügerischerweise dieses Friedensangebot machen. Er muß dieses Angebot annehmen und Allah wird ihm dabei helfen, gegen die Listen des Feindes vorzugehen. Viele Quranexegesen vertreten die Meinung, daß der Vers [8:61] durch den Schwertvers abrogiert sei, Ibn Kathir und Tabari antworteten jedoch jeweils in ihren Quranauslegungen auf diese Behauptung und zeigten, daß dieser Vers weiterhin Rechtgültigkeit besitzt. Aus Platzgründen können wir hier leider nicht das wiedergeben, was Ibn Kathir, Tabari und andere der großen Wissenschaftler auf dem Gebiet der Quranauslegung sagten.

 

Kapitel 6: Land des Islam (arab. darul-islam) und Land des Kufr (arab. darul-kufr)

 

 

Die Einteilung der Erde in Länder des Islam und Länder des Kufr bzw. des Krieges (darul-harb) geht auf keine Textstelle im Quran oder in den Überlieferungen des Gesandten Allahs (Allahs Segen und Heil auf ihm) zurück. Sie war vielmehr eine Auslegung (Idschtihad) der Rechtsgelehrten, um den Zustand, in dem sich die Muslime befanden, zu beschreiben, und um rechtliche Bestimmungen für diesen Zustand abzugrenzen. Wir meinen, daß es unbedingt nötig ist, die Fragen zunächst in ihrem historischen Kontext und dann in ihrem Kontext innerhalb des islamischen Rechts, der Scharia, zu betrachten. Die folgenden Punkte fassen diese Bertrachtungen zusammen:

 

 

Erstens: Der Normal- bzw. Grundzustand im Verhältnis zwischen Muslimen und Nichtmuslimen ist der, in dem die Muslime die Nichtmuslime zum Islam einladen, und nicht der Zustand des Kampfes zwischen beiden

Aus diesem Grund beeilte sich der Gesandter Allahs damit, Gesandte zu den Herrschern der umliegenden Gebieten der arabischen Halbinsel.

Er sandte

  • Duhya bin Khalifa al-Kalbi zum byzantinischen (d.h. oströmischen) Kaiser,
  • Abdullah ibn Hudhafa zum persischen Herrscher,
  • Amr bin Umayya zum Negus, dem Herrscher Abessiniens,
  • Hatib bin abi Baltaa zu Muqauqis, dem Herrscher Alexandrias,
  • Amr bin al-As zu Dschaifar und Ayyan, den Söhnen von Hulundi al-Azdayin, dem Herrscher Omans,
  • Sulait bin Amr zu Tamama bin Athal und Haudha bin Ali al-Hanfaiin, den beiden Herrschern Yamamas,
  • al-Alaa bin al-Hadrami zu Mundhir bin Sawa al-Abdi, dem Herrscher Bahrains,
  • Schadscha' bin Wahab zu Harith Ibn Abu Schummar al-Ghassani, dem Herrscher des Grenzgebietes von Asch-Scham,
  • Schadscha' bin Wahab zu Dschablatu bin Aiham al-Ghassani und
  • Muhadschir ibn Abu Aima al-Makhzumi zu al-Harath bin Abd Kalal al-Humairi, dem Herrscher Jemens.

 

 

Die genannten Abgesandten wurden nicht gleichzeitig gesandt, sondern wurden vom Propheten (Allahs Segen und Heil auf ihm) in einem Zeitraum entsandt, welcher nach Abschluß des Friedensvertrages von Hudaibiyya im Jahre 6 n.H. begann und sich bis zum Tod des Gesandten Allahs (Allahs Segen und Heil auf ihm) im Jahre 10 n.H. erstreckte.

 

 

Zweitens: Die Muslime bekämpften die Byzantiner und die Perser, um die unterdrückten Völker davon zu befreien, daß sie mit Gewalt vom Islam abgehalten werden:

 

- Die Bücher, die die Biographie des Propheten (Allahs Heil und Segen auf ihm) behandeln, berichten, daß der Grund für die Schlacht von Mu'ta, der ersten Schlacht zwischen den Muslimen und den Byzantinern, der war, daß Scharhabil bin Amr al-Ghassani, einer der Befehlhaber von Heraklios über Asch-Scham, al-Harith bin Amr getötet hatte, welcher ein Gesandter des Propheten (Allahs Segen und Heil auf ihm) zum Herrscher von Basra war. Scharhabil bin Amr al-Ghassani hatte ihn gefragt, ob er ein Gesandter von Muhammad sei, worauf al-Harith bin Amr sagte: "Ja", worauf ihm Scharhabil ihn tötete. Dies war der Grund für die Entsendung einer muslimischen Armee unter Führung von Zaid ibn Haritha, um die erste Schlacht gegen die Byzantiner in Mu'ta zu führen. In dieser Schlacht siegten die Muslime nicht, da das muslimische Heer nur aus dreitausend Mann bestand. Die Byzantiner hatten hingegen einhunderttausend Mann unter der Führung Theodors, des Bruders von Heraklios, zusammengezogen. Die Muslime hatten eigentlich nicht vorgehabt, die Byzantiner zu bekämpfen; sie wollten lediglich Scharhabil bekämpfen, weil dieser den Botschafter des Propheten getötet hatte. Die Byzantiner unterstützten jedoch die Ghassanis, und so kam es zu mehreren Schlachten, die schließlich dazu führten, daß die Muslime das gesamte Gebiet von Asch-Scham eroberten.

Als die Einladung des Propheten den byzantinischen Kaiser Heraklios erreichte, nahm er anfangs keine ablehnende Haltung ein. Der dort anwesende Abu Sufyan berichtete dem Kaiser genaueres über Muhammad (Allahs Segen und Heil auf ihm). Abu Sufyan war Führer der Muschrikun von Mekka, welche den Muslimen gegenüber feindlich gesinnt waren, und die Muslime zunächst in Mekka verfolgt hatten und später nach der Auswanderung der Muslime nach Medina, gegen sie Kriege geführt hatten. Abu Sufyan wurde später Muslim, zu dem Zeitpunkt jedoch, als er beim byzantinischen Kaiser war, war er noch nicht Muslim. Nach dem Gespräch mit Abu Sufyan sagte Heraklios: "Ich wußte, daß der Prophet kommen würde. Ich habe bloß nicht gedacht, daß er einer von euch sein würde. Wenn ich wüßte, daß ich zu ihm gelangen könnte, würde ich Strapazen auf mich nehmen, um ihn zu treffen. Und wenn ich bei ihm sein würde, würde ich ihm die Füße waschen...". Abu Sufyan berichtet weiter: "Als Heraklios dies gesagt hatte, und mit dem Lesen des Briefes des Gesandten Allahs fertig war, wurde es um ihn herum unruhig. Die Stimmen wurden lauter, und wir wurden herausgeführt...".

 

Diese Aussage Abu Sufyans zeigt den Druck, dem Heraklios von Seiten seiner Gefolgschaft ausgesetzt war, so daß er von einer anfänglichen Annahme der Botschaft Muhammads zu einem Zusammenziehen eines Heeres zur Bekämpfung der Muslime überging. Wenn der Druck auf Heraklios dieses Ausmaß erreichte, wie war dann erst der Druck auf das gewöhnliche Volk?! Wir können nun klar den folgenden Satz verstehen, den der Gesandte Allahs (Allahs Segen und Heil auf ihm) in dem Brief an Heraklios gerichtet hat: "...Wenn du dich abwenden solltest, d.h. den Islam ablehnen solltest, so wird die Sünde deiner Untertanen auf dir lasten...".

 

Jetzt wird klar, daß die Muslime die Byzantiner somit aus zwei Gründen bekämpften: Erstens als Vergeltung für den Mord an dem Botschafter des Propheten und zweitens, um den unterdrückten Völkern, die sich unter der Herrschaft der Byzantiner befanden, die Freiheit zu geben, sich frei und ohne Druck für oder gegen die Annahme des Islam zu entscheiden.

 

 

- In den Büchern, die die Prophetenbiographie berichten, wird auch erwähnt, daß der Herrscher der Perser, nachdem er den Brief des Gesandten Allahs (Allahs Segen und Heil auf ihm) gelesen hatte, diesen zerriß und Badhan, seinem Statthalter im Jemen, ausrichten ließ, daß er zwei starke Männer zu Muhammad schicken solle, die ihm Muhammad bringen sollten. Badhan führte auch tatsächlich den Befehl aus und schickte zwei Männer zu Muhammad. Jedoch endete die Angelegenheit damit, daß Badhan und seine Männer Muslime wurden und sich der Islam im Süden der arabischen Halbinsel unter den bisherigen Christen und Zoroastriern stark ausbreitete.

Mit dem Zerreißen des Briefes und dem Entsenden von Soldaten, um den Propheten zum persischen Herrscher zu bringen, hatten die Perser den Muslimen den Krieg erklärt. Berücksichtigt man noch die soziale und religiöse Unterdrückung, die im persischen Reich genauso wie im byzantinischen Reich herrschten, so werden die Gründe für das militärische Eingreifen der Muslime gegen die Perser und die Byzantiner klar: Sie waren einerseits Reaktionen auf eine Kriegserklärung und andererseits Befreiungsaktionen der Völker von Unterdrückung und von Druckausübung bezüglich der Wahl des Din. Die Muslime kämpften dafür, daß jeder Mensch frei und ohne irgendeinen Druck den Din auswählen konnte, den er wollte.

Die Muslime kämpften nicht gegen die Völker selbst, sondern gegen die ungerechten Regime. Deshalb waren die Völker auch auf der Seite der Muslime, selbst wenn sie ihre frühere Religion beibehielten.

 

 

Im folgenden werden einige Stellen aus dem Buch "Die Einladung zum Islam" des Orientalisten Sir Thomas Arnold zitiert:

 

  • Sir Thomas Arnold zitiert aus dem Buch "Al-Kharadsch" von Abu Yusuf:

 

"Als Abu Ubaida, der muslimische Heeresführer im Gebiet des Asch-Scham, erfuhr, daß Heraklios ein großes Heer mobilisiert hatte, um gegen die Muslime anzutreten, schrieb er an die Verantwortlichen der von den Muslimen verwalteten Städte, und wies sie an, dem Volk die bezahlte Dschizya wieder zurückzuerstatten. Weiterhin schrieb er zu den Bürgern der Städte: "Wir haben euch euer Geld zurückerstattet, weil uns die Kunde erreicht hat, daß sich ein großes Heer gegen uns gesammelt hat. Weil es aber eine Bedingung des Vertrages zwischen uns und euch war, daß wir euch beschützen, wir jetzt aber nicht in der Lage sind, dies zu tun, erstatten wir euch das zurück, was wir von euch genommen haben. Wir verbleiben bei den Bedingungen, die zwischen uns und euch ausgehandelt wurden, sollte Allah uns gegen die Feinde zum Sieg verhelfen."

Die Christen beteten daraufhin um Segen für die Führer der Muslime und sagten: "Möge euch Gott zu uns zurückführen und euch gegen die Byzantiner helfen. Wenn sie an eurer Stelle wären, hätten sie uns nichts zurückerstattet, und hätten uns alles genommen, was wir noch haben..."

 

  • Sir Thomas Arnold berichtet auch, wie die Perser die orthodoxen Christen unterdrückt hatten, und wie die Muslime sie von dieser Unterdrückung befreiten:

 

"Im fünften Jahrhundert brachte Busuma, ein nestorianischer Priester, den persischen Herrscher dazu, der orthodoxen Kirche einen schweren Schlag zu versetzen. Es wird berichtet, daß 7800 Kirchenmänner der orthodoxen Kirche und eine riesige Anzahl von weltlichen Bürgern bei dieser Verfolgung abgeschlachtet wurden. Chosroe II. verfolgte die orthodoxen Christen ein weiteres Mal, nachdem die Byzantiner unter Heraklios gegen das persische Reich gekämpft hatten.

Die islamische tolerante Grundhaltung verbot jedoch ein solches Vorgehen, welches auf Ungerechtigkeit beruht. Vielmehr scheuten die Muslime keine Mühe, um ihre christlichen Bürger gerecht und korrekt zu behandeln. Ein Beispiel dafür ist folgende Begebenheit: Als die Muslime Ägypten eroberten, nutzten die Jakobiter die Gelegenheit, daß die byzantinischen Machthaber nicht mehr da waren, um die orthodoxen Kirchengebäude für sich einzunehmen. Die Muslime jedoch gaben sie ihren rechtmäßigen Eigentümern wieder zurück, nachdem die orthodoxen Christen beweisen konnten, daß die Kirchengebäude ihnen und nicht den Jakobitern gehörten."

 

  • Sir Thomas Arnold zitiert im selben Buch die Worte des jakobitischen Patriarchs von Antiochia, Michael des Großen, nachdem er die Verfolgungen aufzählte, die Heraklios begangen hatte:

 

"...Gott ist der Rächende, und Ihm allein schreiben wir die Macht und die Herrschaft zu; Er führt den Staat der Menschen so, wie Er es will, und Er gibt die Macht, wem Er will und Er erhöht die Niedrigen.

Als Gott sah, wie die üblen Byzantiner von der Gewalt Gebrauch machten, und in ihrem gesamten Reich unsere Kirchen raubten, sich unserer Einsiedeleien bemächtigten, und uns erbarmungslos und mitleidslos verfolgten, schickte Er die Söhne Ismaels aus dem Süden, um uns durch sie aus der Gewalt der Byzantiner zu befreien...".

 

Alle diese Berichte bestätigen folgendes:

 

  1. Die Völker waren unterdrückt, und die Muslime kämpften nur, um die Menschen vom Religionszwang und der Unterdrückung zu befreien;
  2. Die Muslime haben tatsächlich die Menschen von der Unterdrückung befreit;

 

die Muslime gaben den Völkern die Freiheit, bei ihrer Religion zu bleiben, oder diese zu wechseln. Wenn es große Wellen von Übertritten zum Islam gab, so lag dies vor allem an dem, was die Menschen im Islam selbst an Menschlichkeit wahrnahmen. Dies bestätigen viele Orientalisten - vor allem Sir Thomas Arnold in dem oben erwähnten Buch "Die Einladung zum Islam". Wir würden noch viele andere Stellen aus diesem Buch zitieren, wenn wir nicht fürchten würden, den Rahmen dieser Abhandlung zu sprengen.

 

 

 

Drittens: Der Krieg, den die Muslime zur Befreiung der Völker führten, führte zu einem neuem Zustand auf der Erde. Bei der Einteilung der Erde, die sich in diesem entstandenen Zustand befand, benutzten die Rechtsgelehrten die Begriffe Darul-Islam (Land des Islam) und Darul-Harb (wörtl. Land des Krieges):

 

Darul-Islam:

In diese Kategorie fallen all jene Länder, die im Herrschaftsbereich des Islam sind, und in dem die Bestimmungen des Islam ausgeführt werden, und in dem die Rituale des Islam ausgeführt werden. Ein Land dieser Kategorie wird auch Land der Gerechtigkeit (arab. darul-'adl) oder Land des reinen Monotheismus (arab. daru-t-tauhid) genannt.

 

Darul-Harb:

Darunter fallen alle Länder, in denen nicht die Bestimmungen des Islam ausgeführt werden, weil sich diese Länder außerhalb des islamischen Herrschaftsbereich befinden. Diese Länder werden auch mit darul-schirk (Land des Götzendienstes) bezeichnet.

 

Imam Schafii fügte noch eine weitere Kategorie hinzu, den

 

Darul-'Ahd (Land, mit dem ein Vertrag eingegangen worden ist),

bzw. daru-s-sulh (Land, mit dem ein Friedensvertrag eingegangen worden ist): Darunter fallen all jene nichtmuslimische Länder, deren Einwohner mit den Muslimen einen Friedensvertrag eingegangen sind, ohne daß jedoch von ihnen die Dschizya genommen wird. Diese Länder werden also nicht die Bestimmungen des Islam erfüllt, wodurch sie folglich nicht zum darul-Islam gehören, die Einwohner dieser Länder befinden sich jedoch mit den Muslimen auch nicht im Kriegszustand, weswegen diese Länder auch nicht zum darul-harb gehören.

 

Es zeigt sich uns anhand der Aussagen der Rechtsgelehrten, daß die Charakteristiken, die den darul-Islam vom darul-harb unterscheiden, die Anwesenheit der islamischen Herrschaft und die Umsetzung der islamischen Gesetze sind. Muhammad ibn al-Hasan, der Gefährte Abu Hanifas, sagt: "Die Charakteristiken, welche die Art des Landes bestimmen, ist einerseits der Herrscher andererseits, welche macht er in der Hand hat, die entsprechenden Gesetze umsetzen zu lassen...".

 

Zusammenfassend können wir sagen, daß die Einteilung der Erde in zwei bzw. drei Arten von Ländern eine Rechteinteilung ist, die die Rechtsgelehrten im Lichte eines vorhandenen Zustands - den Kriegen, den die Muslime gegen ihre Feinde führten - von der Scharia (d.h. Quran und Sunna) ableiteten.

 

Nun stellt sich die Frage, ob wir uns heutzutage an diese Einteilung und die jeweiligen Bestimmungen, die die Rechtsgelehrten festgelegt haben, binden können.

 

Wir geben darauf folgende Antwort:

 

Wenn man versucht, diese Einteilung auf unsere heutige Lage anzuwenden, ergeben sich viele Unklarheiten, von den wir im folgenden einige erwähnen wollen:

 

1- Was soll das Charakteristikum für das Vorhandensein eines islamischen Herrschers und der Umsetzung der islamischen Gesetze und Ausführung der islamischen Rituale sein? Soll es die vollständige Umsetzung der islamischen Bestimmungen sein? Dies würde bedeuten, daß die meisten muslimischen Länder heute nicht mehr zum darul-islam gehören.

 

Oder soll es genügen, daß die islamischen Bestimmungen nur im privaten Bereich und bezüglich des Einzelnen umgesetzt werden, ohne daß die übrigen Gesetze des Islam umgesetzt werden? Dies würde auch bedeuten, daß einige muslimische Länder mit großer islamischer Tradition wie die Türkei und andere Länder nicht mehr zum Gebiet des darul-islam gehören.

 

Oder soll es genügen, daß die Muslime die islamischen Rituale - wie das Gebet, das Fasten, die Pilgerfahrt, die Zakat (Bedürftigensteuer) - frei ausüben können, damit man von einem darul-islam sprechen kann, um eine Fortsetzung aus der Vergangenheit zu bilden, weil diese Länder in der Vergangenheit in der Tat zum darul-islam gehörten. Dies würde bedeuten, daß die meisten muslimischen Länder heute zum darul-islam gezählt würden; wie würde man dann aber viele der nichtmuslimischen Länder beurteilen, in denen die Muslime freier ihre islamischen Rituale ausüben können als in manchen muslimischen Ländern? Man kann sie natürlich nicht als darul-islam betrachten. In der Tat unterscheiden sie momentan in dieser Beziehung nicht von den vielen muslimischen Ländern, in denen als Gesetz nicht das islamische Recht gilt, in denen es jedoch erlaubt ist, das Gebet, Fasten usw. auszuüben.

 

Diese Unklarheiten, welche durch die heutige Situation der Muslime bedingt sind, machen es nötig, den Begriff darul-islam noch einmal genau festzulegen. Dies ist nicht das Thema dieser Abhandlung, jedoch erwähnen wir dies, um auf die Wichtigkeit hinzuweisen, dieses Thema im Lichte der heutigen Situation der Muslime neu zu überdenken.

 

2- Was den darul-harb anbetrifft, was sind die Kennzeichen, die ein Land zum darul-harb machen?

 

Macht die einfache Tatsache, daß deren Einwohner Kafirun sind, ein Land zum darul-harb? Die Anwort lautet natürlich nein, weil die Kafirun einen Vertrag mit den Muslimen eingehen können, ohne die Dschizya zu bezahlen und ohne sich dem darul-islam zu unterwerfen. In diesem Fall werden diese Länder zum darul-'ahd, welches die Sichtweise Imam Schafiis ist.

 

- Können die Verträge, die zwischen allen Staaten der Erde im Rahmen der Vereinten Nationen bestehen, welche also auch zwischen den muslimischen und den nichtmuslimischen Staaten bestehen, als ausreichend angesehen werden, um die nichtmuslimischen Staaten aus Sicht der Muslime als darul-'ahd anzusehen?

 

Einige geben darauf die Antwort, daß die muslimischen Staaten heute nicht das islamische Gesetz, die Scharia, anwenden, und daß aus diesem Grund die Verträge, die die Regierungen dieser muslimischen Länder eingehen, nicht bindend sind für die Muslime.

 

Wir geben darauf folgende Antwort:

 

a) Nach übereinstimmender Ansicht der Gelehrten gehört es zu den Grundsätzen des islamischen Rechts (arab. usulu-scharia), daß die Anweisungen und Handlungen eines vom rechten Weg abgekommenen muslimischen Herrschers für die Muslime bindend sind, ausgenommen darin besteht eine eindeutige Sünde. Darauf aufbauend ist ein Friedensschluß mit dem Staat Israel auf Kosten des palästinensischen Volkes nicht rechtmäßig im Sinne der islamischen Rechtsvorstellung und deshalb nicht bindend für die Muslime. Verträge jedoch, die mit anderen nichtmuslimischen Staaten abgeschlossen werden, und die nicht das Wohl der Muslime beschneidet, sondern das friedliche Miteinanderleben zwischen den Menschen ordnen, sind durchaus rechtmäßig. Wenn also ein vom rechten Weg abgewichener muslimischer Herrscher einen solchen Vertrag eingeht, so ist er bindend für alle Muslime.

 

b) Wir Muslime, die wir in den Westen gekommen sind, um zu arbeiten oder um zu studieren, sind basierend auf diesen Verträgen mit bzw. ohne Visum eingereist. Es ist weder rechtmäßig im Sinne des islamischen Rechts, noch gehört es zum Charakter des Muslim, und ist außerdem unlogisch, daß wir diese Verträge dann akzeptieren, wenn es uns paßt, und in einer anderen Sache wiederum ablehnen, wenn es uns gerade nicht paßt. Dies würde im Endeffekt auf Verrat hinauslaufen, welchen der Muslim nie und unter keinen Umständen begehen darf. Entweder betrachten wir diese Abkommen als rechtmäßig und kommen den Plichten nach, die mit diesen Abkommen verbunden sind, so wie wir auch von den Vorteilen profitieren können, die für uns aus diesen Abkommen entstehen - oder aber wir betrachten diese Abkommen als nicht rechtmäßig, dann dürfen wir aber auch nicht von ihren Vorteilen profitieren.

 

c) Sollte man der Überzeugung sein, daß diese Abkommen uns als einzelne Muslime nicht verpflichten, weil wir die Institutionen, die unsere Länder regieren, nicht als rechtmäßig ansehen, und in Folge dessen keine Verträge zwischen uns und diesen anderen Ländern bestehen, so antworten wir darauf: Nehmen wir an, daß zwischen uns und diesen Ländern keine Verträge bestehen. Wer ist es jedoch, der beschließt, daß wir uns mit ihnen im Kriegszustand befinden? Ist die Entscheidung für einen Krieg aus der Sichtweise des Islam jedem einzelnen Muslim überlassen? Oder ist dies eine gemeinschaftliche Entscheidung, die der muslimische Herrscher im Namen aller Muslime trifft?

 

Sollten wir 1. unseren vom rechten Weg abgekommenen Herrschern nicht das Recht zugestehen, Verträge zu schließen, und sollte 2. kein muslimischer Herrscher vorhanden sein, der sich an das islamische Recht hält, um dadurch Verträge abschließen zu können, oder aber sollte dieser sich ans islamische Recht haltende Herrscher zwar vorhanden sein, aber nicht eine Kriegserklärung abgegeben haben, wie kann sich dann der einzelne Muslim im Westen dann als mit dessen Bewohnern im Kriegszustand befindlich betrachten?

 

 

d) Die Verse des Quran und die Aussprüche des Gesandten Allahs (Allahs Segen und Heil auf ihm) bestätigen die Rechtmäßigkeit eines Krieges mit den Kafirun und fordern zum Kampf auf. Jedoch hat eine Kriegserklärung in der Tat einen von dem islamischen Recht festgelegten Rahmen. Wenn diese Kriegserklärung nicht in diesem Rahmen stattfindet, so darf ein Muslim die betreffenden Menschen nicht so behandeln, als ob er sich mit ihnen im Kriegszustand befände, weil dies als eine Art von Betrug angesehen wird. Allah der Erhabene sagt: "Wenn du von einem Volk Verrat fürchtest, verwirf den gegenseitigen Vertrag. Wahrlich, Allah liebt die Verräter nicht"[8:58], d.h. verkünde ihnen, daß die Verträge beendet sind, und daß nun der Krieg beginnt.

 

 

3- Die Muslime in den Ländern des Westens befinden sich nicht in einem darul-harb (Kriegsgebiet):

 

Aus dem Vorausgegangenen ist zu folgern, daß sich die Muslime in Europa und in anderen Ländern des Westens nicht in einem Kriegsgebiet befinden - und zwar aus folgenden Gründen:

 

  1. weil keiner unserer Herrscher eine Kriegserklärung ausgesprochen hat;
  2. weil Verträge zwischen unseren Ländern und diesen Ländern vorhanden sind, und weil wir nach dem islamische Recht zur Einhaltung dieser Verträge verpflichtet sind, solange diese Verträge nicht verpflichten, eine Sünde zu begehen und
  3. weil wir diese Ländern aufgrund dieser Verträge betreten haben, und weil es für uns verboten ist, uns als im Kriegszustand befindlich zu betrachten, andererseits aber das Ausland auf der Grundlage von Verträgen zu betreten, die wir nicht anerkennen.

 

Wir befinden uns also hier nicht in einem darul-harb. Wir befinden uns entweder in einem darul-'ahd oder aber in einem Gebiet, in dem man zu dem Weg Allahs des Erhabenen einlädt (daru-dawa).

 

Wenn wir uns an die klassische Rechtseinteilung der Erde in darul-islam, darul-harb und darul-'ahd halten möchten, so befinden wir uns hier in einem darul-'ahd.

 

Die Anschauung jedoch, die wir bevorzugen, ist die, daß diese klassische Rechtseinteilung nicht mehr auf die heutige Situation anwendbar ist. Auf dieser Anschauung aufbauend sagen wir, daß die Muslime sich heute in einem Gebiet befinden, in dem zum Weg Allahs eingeladen wird (daru-dawa) - so wie sich der Gesandte Allahs (Allahs Segen und Heil auf ihm) und die Muslime in Mekka zur Zeit vor ihrer Auswanderung (arab. hidschra) nach Medina befanden. Mekka war damals kein darul-islam und auch kein darul-harb, sondern ein daru-dawa.

 

Unserer Anschauung gemäß ist die gesamte Erde ein daru-dawa, d.h. ein Gebiet, in dem zum Weg Allahs eingeladen wird. Wir begründen dies mit den folgenden Aussagen Allahs: "Und Wir entsandten dich nur aus Barmherzigkeit für alle Welten."[21:107] und "Wir haben dich mit der Wahrheit als Freudenverkünder und als Warner entsandt..."[2:119]

 

Sollte ein Teil der Menschen der Einladung des Gesandten Allahs (Allahs Segen und Heil auf ihm) Folge leisten und zwischen sich einen islamischen Rechtsstaat aufbauen, so wird ihr Land zum darul-islam. Die übrige Welt bleibt dann aus ihrer Sicht ein daru-dawa.

 

Sobald jedoch einige der übrigen Staaten den Muslimen den Krieg erklären bzw. wenn die Muslime ihnen den Krieg erklären, so werden diese Staaten zum darul-harb. Sollte der Krieg beendet werden und sollte es zu einem Friedensvertrag bzw. zu einem Abkommen kommen, in dem die Feinde nicht den Islam annehmen und sich auch nicht der islamischen Herrschaft unterwerfen, so werden diese Staaten im folgenden zum darul-'ahd...

 

In dem Fall, in dem es weder einen Krieg noch ein Vertrag geben sollte, so ist die Erde ein daru-dawa, weil die Einladung zum Weg Allahs das Basisprinzip im Verhältnis zwischen Muslimen und Nichtmuslimen ist, von dem man am Anfang ausgeht - und nicht etwa der Krieg bzw. der Kampf.

 

 

4- Die Muslime betreten diese Staaten mit einem Abkommen, was einem Sicherheitsgarantieakommen ähnelt:

 

Zuletzt möchten wir noch erwähnen, daß selbst im Schatten der klassichen Rechteinteilung des darul-islam und darul-harb es die Rechtsgelehrten für erlaubt hielten, daß jemand, der sich mit den Muslimen im Kriegszustand befindet, das Land der Muslime mit einem Sicherheitsgarantieabkommen betreten darf, so, wie sie es gleichermaßen für einen Muslim als erlaubt ansahen, das Land der Kafirun mit einem ähnlichen Vertrag zu betreten. Derjenige, der sich mit den Muslimen im Kriegszustand befand, konnte - wenn er das Land der Muslime mit einem Sicherheitsgarantieabkommen betrat -, Handel treiben und Besitz erweben und unterwarf sich für die Dauer seiner Sicherheitsgarantie dem Gesetz der Muslime. Dann, wenn er seine Angelegenheiten erledigt hatte, kehrte er wieder in sein Land zurück. Für die Zeit seines Aufenthaltes mit Sicherheitsgarantieabkommen mußten alle Muslime für seine Sicherheit sorgen, solange er sich auch von seiner Seite an die Bestimmungen des Sicherheitsgarantieabkommen hielt. Auf der anderen Seite betraten Muslime das darul-harb mit einem Sicherheitsgarantieabkommen, um Handel zu treiben, eine Botschaft zu überbringen oder um eine Angelegenheit zu erledigen, wenn die Feinde ihm dies gestatteten. Er betrat dann deren Land, hielt sich an deren Gesetze, solange darin keine Sünde gegenüber Allahs bestand, und behandelte die Bewohner des feindlichen Landes mit Güte und Gerechtigkeit. Wenn er seine Angelegenheiten erledigt hatte, kehrte er in sein Land zurück. Diese Art von Verhältnis zwischen den Muslimen und den Nichtmuslimen war bekannt und rechtmäßig und auf diesem Weg betraten viele muslimische Händler das Land der Feinde, übten dort Handel aus und luden gleichzeitig zum Islam ein. Die Bewohner von vielen Ländern, darunter Indonesien und viele afrikanische Länder, sind so Muslime geworden - ohne daß ein muslimisches Heer diese Länder betrat.

 

 

 

 

Kapitel 7: Die Verhaltensgrundsätze zwischen uns und den Einwohnern dieser Länder

 

 

Wenn wir es so betrachten, daß wir diese Länder auf der Basis von Abkommen betreten haben, so haben wir die Pflicht, uns an diese Abkommen zu halten. Sollten wir diese Abkommen nicht akzeptieren, weil wir meinen, daß wir nicht durch unsere Herrscher vertreten werden, aber trotzdem meinen, daß wir uns nicht im Kriegszustand mit der Bevölkerung dieser Länder befinden, sondern in einem Zustand der Einladung zum Islam, so sind im folgenden die Regeln für den Umgang zwischen den Kafirun und uns im Nichtkriegszustand zusammengefaßt gegeben:

 

1- Allah hat gesagt: "Allah verbietet euch nicht, gegen jene, die euch nicht des Din wegen bekämpfen und euch nicht aus euren Häusern vertreiben, gütig zu sein und redlich mit ihnen zu verfahren; wahrlich, Allah liebt die Gerechten..." [60:8] Das erste Prinzip für das gegenseitige Verhältnis ist die Güte (arab. birr), welches die höchste Stufe guten Charakters ist. Diese Güte wird gefordert im Verhältnis eines Menschen zu seinen Eltern. Allah hat diese Güte jedoch auch als erstes Prinzip für den Umgang mit Kafirun, die nicht die Muslime bekriegen, erhoben, und zwar deswegen, weil es der beste Ausdruck für die Botschaft des Islam ist, welche Muhammad, der Gesandte Allahs, (Allahs Segen und Heil auf ihm) mit folgenden Worten beschrieb: "Ich bin geschickt worden, um die schönen Charakterzüge zu vervollkommenen." Das arabische Wort birr bedeutet, daß der Muslim nicht lügt, nicht betrügt, keinen Verrat begeht, nicht stiehlt, die Menschen gut behandelt und von jeglicher Sünde Abstand nimmt...Dies ist die eigentliche Umgangsform, mit der ein Muslim alle Menschen in allen Situationen behandelt, mit Ausnahme der Kriegssituation - der Kriegszustand hat seine eigenen Regeln.

Das zweite Prinzip bezüglich des Umgangs des Muslims mit der Bevölkerung dieser Länder ist die Gerechtigkeit. Der Muslim darf nicht unrecht tun bzw. unterdrücken, was auch immer die Gründe sein sollten. Wenn es zu einer Auseinandersetzung zwischen einem Muslim und einem Kafir kommen sollte, so bist du als Muslim auf der Seite des Wahrheit und der Gerechtigkeit, selbst wenn es gegen deinen Bruder im Islam gerichtet sein sollte. Dies ist die Anweisung und das Gesetz Allahs und die Erläuterung zum folgenden Ausspruch des Gesandten Allahs (Allahs Segen und Heil auf ihm): "Helfe deinem Bruder im Recht und im Unrecht", worauf ein Mann fragte: "O Gesandter Allahs, ich helfe ihm, wenn ihm Unrecht getan wird, wie soll ich ihm aber helfen, wenn er selbst derjenige ist, der Unrecht tut?", worauf der Gesandte Allahs (Allahs Segen und Heil auf ihm) sagte: "Im letzteren Fall sollst du ihn davon abhalten, das Unrecht zu begehen. Darin besteht deine Hilfe." (Dies berichteten Buchari und Tirmidhi.)

 

 

2- Imam Mawardi, einer der größten muslimischen Gelehrten auf dem Gebiet des Herrschaftsrechts, sagt in seinem Buch "Die islamischen Regeln des Herrschens":

"Aus dem Vertrag zwischen den Muslimen und den Götzendienern folgen drei Dinge:

  1. Beendigung des Krieges, der Auseinandersetzung und der offenen Feindschaft;
  2. ebenfalls darf kein verteckter Verrat stattfinden - weder von ihrer noch von unserer Seite aus;
  3. daß man einen freundlichen Umgang in Wort und Tat pflegt, da das Grundprinzip des Islam bezüglich des Verhältnisses zwischen Muslimen und Nichtmuslimen die Freundlichkeit und das schöne Wort sind. Die geforderte Freundlichkeit darf jedoch nicht auf Kosten der Glaubensgrundsätze (Aqida) gehen. Das schöne, freundliche Wort ist gerade das Gegenteil von Hartherzigkeit und Rauhigkeit. Allah der Erhabene wies darauf in der folgenden Aussage hin: "Wärst du aber rauh und hartherzig gewesen, dann wären sie dir davongelaufen."[3:159] Wenn es also möglich ist, daß die Muslime vom Gesandten Allahs (Allahs Segen und Heil auf ihm) weglaufen, wenn er hart mit ihnen umgegangen wäre - und er ist fern davon - wie sollen wir dann von den Nichtmuslimen erwarten, daß sie unsere Einladung zum Islam annehmen, wenn wir ihnen mit Hartherzigkeit und Rauhigkeit begegnen würden?

 

3- Es gehört zu den Regeln, welche das materielle Verhältnis zwischen uns und der Bevölkerung dieser Länder anbetrifft, daß wir uns an deren Gesetze halten müssen, solange wir dadurch keine Sünde begehen. Dies ist eine uns von Allah auferlegte Pflicht. Unsere Rechte in diesen Ländern sind diejenigen Rechte, die uns ihre Gesetze geben. Wir dürfen uns nicht über diese Gesetze durch List, Lüge, Betrug oder Verrat hinwegsetzen. In der hanafitischen Rechtschule existiert die Meinung, daß ein Muslim im darul-harb Geld von den Kafirun mit deren Einverständnis annehmen darf, welches eigentlich normalerweise bei uns zu den zu den verbotenen Dingen gehört (Anm. d. Übers: z.B. Verträge mit Zins). Zu diesem Geld darf man jedoch gemäß dieser hanafitischen Meinung nicht durch Verrat und Betrug gelangen. Obwohl die meisten anderen Rechtgelehrten diese Meinung nicht für richtig halten, und etwas Verbotenes immer für etwas Verbotenes ansehen - im darul-islam gleichermaßen wie im darul-harb, wollen wir anmerken, daß sogar die hanafitische Rechtsschule es nur für erlaubt ansieht, Geld von den Kafirun an sich zu nehmen, wenn diese damit einverstanden sind und wenn es in Übereinstimmung mit deren Gesetze geschieht - ohne Betrug oder Täuschung. Daß man nicht Täuschen und Betrügen darf, darüber sind sich die Rechtsgelehrten der verschiedenen Rechtsschulen einig.

Manche Leute mögen gerne folgendes sagen: "Diese haben uns in der Vergangenheit kolonialisiert und unsere Güter gestohlen, und wir stehlen eben heute ihre Güter." Dies ist ein Aussage, welche sich nicht mit dem islamischen Recht vereinbaren läßt. Denn in der Vergangenheit haben sie uns bekriegt und wir haben sie bekriegt. Für sie stand Leben und Gut der Muslime nicht unter Schutz und ebenfalls wir betrachten ihr Leben und ihr Gut als nicht geschützt...Die Menschen bleiben aber nicht fortwährend im Kriegszustand. Momentan befinden wir uns nicht im Kriegszustand mit ihnen, und so dürfen wir ihnen auch nichts stehlen. Wenn sie uns gewisse Rechte geben in Form von medizinischer oder sozialer Hilfe, so dürfen wir nicht betrügen, um mehr zu bekommen, als uns zugesteht. Es ist ja in der Tat so, daß sie uns manchmal Rechte zugestehen, die wir in unseren Ländern nicht haben. Dies sollten wir anerkennen und ihnen danken, denn Allah der Erhabene hat gesagt: "Kann der Lohn für Güte etwas anderes sein als Güte?"[55:60] Der dritte Grundsatz für unserer Verhalten gegenüber der hiesigen Bevölkerung ist also der, daß wir uns an deren Gesetze halten, solange wir dadurch keine Sünde begehen, weiterhin, daß wir unsere Rechte fordern, die uns durch deren Gesetze gegeben werden, und daß wir unsere Pflichten erfüllen. Wir dürfen nicht zu verbotenen Mitteln wie Betrug, Diebstahl und Verrat greifen. Wenn wir all diese Dinge beachten, so sind wir wirklich gottergebene Muslime und mit der Erlaubnis Allahs Leute, die zu dieser Religion, dem Islam, einladen.

Quelle: Muslimischer Studentenverein Karlsruhe e.V. (MSVK)

@ Ekrem Yolcu