Washington, 26. März (IPS) - In China haben
Menschenrechtsverletzungen gegen Mitglieder der uighurischen Minderheit im Westen des
Landes seit dem 11.September an Zahl und Schwere zugenommen, berichtet Amnesty
International (AI) in einem am Freitag (22. März) veröffentlichten Bericht.
In den vergangenen sechs Monaten seien in der 'Autonomen Uighur-Region
Sinkiang' (XUAR) im äußersten Westen des chinesischen Vielvölkerstaates Tausende von
Mitgliedern der vornehmlich muslimischen Minderheit der Uighuren verhaftet worden. Die
US-geführte internationale Kampagne gegen den Terrorismus diene der chinesischen
Regierung dabei als Vorwand für die Unterdrückung von Menschen, die nichts weiter
täten, als ihre Religion oder Kultur auszuüben, kritisierte AI.
Viele der Verhafteten seien monatelang ohne Kontakt zur Außenwelt festgehalten und
gefoltert worden. Bei anschließenden Schauprozessen seien zahlreiche willkürliche und
unverhältnismäßige Urteile ergangen. Darüber hinaus setze die chinesische Regierung
benachbarte zentralasiatische Regierungen unter Druck, uighurische Dissidenten
auszuliefern, die dort Asyl gefunden haben. Es sei auch bereits zu Auslieferungen
gekommen. Betroffene seien eingesperrt, gefoltert und in einigen Fällen hingerichtet
worden, kritisierte der Bericht.
Erst kürzlich habe die Regierung in Peking das Strafrecht weiter verschärft, um noch
wirkungsvoller gegen Dissidenten vorgehen zu können. Dabei wurde nicht nur die Zahl der
Vergehen erweitert für die die Todesstrafe ausgesprochen werden kann, es wurden darüber
hinaus auch eine Reihe friedlicher Aktivitäten und Zusammenschlüsse kriminalisiert. Die
Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung steht unter Strafe ohne das irgendwo
nachzulesen wäre, wie eine solche Organisation definiert ist. Nach Angaben von AI besteht
damit die Möglichkeit auch Anhänger gewaltfreier religiöser, politischer und
kultureller Vereinigungen als Terroristen zu verfolgen.
Damit bestätigen sich Befürchtungen die Menschenrechtsaktivisten unmittelbar im Nachfeld
der Anschläge vom 11. September geäußert hatten. Viele, darunter die Hochkommissarin
der Vereinten Nationen für Menschenrechtsfragen, Mary Robinson, hatten damals gewarnt,
repressive Regime überall auf der Welt würden die Antiterrorkampagne Washingtons
missbrauchen, um im eigenen Land gegen Oppositionelle und religiöse und kulturelle
Minderheiten vorzugehen.
Seitdem beobachten Organisationen wie Amnesty international weltweit mit Entsetzen, in
welchem Maße die USA und andere westliche Staaten ihre Kritik am brutalen Vorgehen
Russlands in Tschetschenien reduziert haben. Die wachsende Unterstützung im Militär- und
Sicherheitsbereich für Länder, in denen eine islamische Opposition tätig ist, stößt
ebenfalls auf zunehmende Kritik.
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Auch die chinesische Regierung, die in 'Xinkiang' bereits seit Jahrzehnten
eine systematische Politik der Unterdrückung betreibt, hat die Zeichen der neuen Zeit
erkannt und bemüht sich seit einigen Monaten verstärkt eine Verbindung zwischen
islamischem Extremismus und den überwiegend muslimischen Uighuren herzustellen. So
veröffentlichte Peking vor zwei Monaten einen Bericht dem zu Folge es enge Verbindungen
zwischen uighurischen Separatisten und Bin Ladens al-Qaida gebe. Bin Ladens Kämpfer
hätten im benachbarten Afghanistan eine große Zahl von uighurischen Widerstandskämpfern
ausgebildet und ihnen fantastische Summen für die Finanzierung ihres Kampfes um ein
unabhängiges Ost-Turkistan in Aussicht gestellt.
Die Uighuren, ein Turkvolk mit engen ethnischen Beziehungen in die umliegenden
zentralasiatischen Republiken der ehemaligen Sowjetunion, waren erst in der Mitte des 19.
Jahrhunderts unter chinesische Herrschaft gekommen. Noch bis vor 50 Jahren stellten sie
etwa 90 Prozent der Bevölkerung der Region im äußersten Westen Chinas.
In den letzten Jahrzehnten jedoch hat massive Immigration ethnischer Chinesen aus dem
Herzland des Reichs der Mitte in die ölreiche und strategisch wichtige Region die
Bevölkerungszusammensetzung Sinkiangs grundlegend verändert. Heute bilden Uighuren
gerade noch 40 Prozent der Bevölkerung der autonomen Region.
Als Ende der achtziger Jahre mit dem Zerfall der Sowjetunion die umliegenden Republiken
ihre Unabhängigkeit erlangten keimten auch in Sinking unter der uighurischen Bevölkerung
zunehmend Hoffnungen auf eine Zukunft in Unabhängigkeit. Verstärkt durch eine
systematische Politik der Diskriminierung in den Bereichen Erziehung und Arbeit kam es in
den folgenden Jahren wiederholt zu gewalttätigen Unruhen in der Region, bei
Straßenschlachten in der Stadt Yining kamen dabei vor fünf Jahren neun Menschen ums
Leben.
Seitdem ist die chinesische Regierung bemüht, die Region eisern im Griff zu halten, neben
Massenverhaftungen richtet sich die Politik Pekings besonders gegen die
institutionalisierte Ausübung des islamischen Glaubens. Zahlreiche Moscheen in der Nähe
von Schulen wurden mit Hinweis auf ihren "schädlichen Einfluss" auf die
Jugendlichen geschlossen, islamische Geistliche müssen sich politischen Seminaren
unterziehen, "um zu einem klareren Verständnis der religiösen und ethnischen
Politik der Partei zu gelangen". Einige wurden verhaftet weil sie den Koran
unterrichtet hatten. Während des vergangenen Fastenmonats Ramadan verbot die Regierung in
Krankenhäusern, Schulen und staatlichen Büros ausdrücklich die Praxis des für
gläubige Muslims obligatorischen Fastens von Tagesanbruch bis Sonnenuntergang.
Seit Anfang des Jahres würden zunehmend auch Künstler, Akademiker und andere im
Kulturbereich Tätige gezwungen, an sogenannten Studienveranstaltungen teilzunehmen.
Inzwischen sei jeder Ausdruck von Opposition, auch friedlicher Natur in Gedichten,
Liedern, Büchern, in Briefen oder auf dem Internet ins Fadenkreuz der chinesischen
Regierung geraten, warnt der Bericht.
Quelle: Islamische Zeitung
@ Ekrem Yolcu |